Valhalla: Thriller (German Edition)
die kaum mehr als ein Krächzen war. Er räusperte sich und spuckte in den Schnee. »Danke, dass du so geistesgegenwärtig gehandelt hast. Ohne dich hätte ich niemals wieder an die Oberfläche zurückgefunden.«
Hiroki spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Es war ihm peinlich, dass alle ihn wie einen großen Helden behandelten. »Nicht der Rede wert«, murmelte er. »Tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun konnte.«
»Du hast mir das Leben gerettet, was willst du denn noch mehr tun?« Ein gequältes Lächeln huschte über Arkadijs Gesicht. »Dieses verdammte Eis. So dünn wie dieses Jahr war es noch nie. Ich dachte zwar noch, dass es dick genug wäre, mich zu tragen, aber das war offensichtlich ein Irrtum. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu fett.« Er stieß ein Geräusch aus, das vermutlich ein Lachen war, aber eher wie ein Husten klang.
»Dein Fett hat dir das Leben gerettet«, sagte Ilka und reichte ihm ihren Flachmann. »Ohne deine Speckschicht wärst du längst erfroren. Aber wie kommen wir jetzt über das Eis?«
Arkadij schnappte nach der Flasche und trank einen herzhaften Schluck. »Wir werden es an einer anderen Stelle überqueren. Dank der Kufen haben wir eine breite Auflagefläche. Wir werden es schon schaffen. Und was dich betrifft, mein kleiner Japaner …«, er grinste breit, »… du hast jetzt was gut bei mir. Entschuldige, wenn ich dich gestern verärgert habe. So etwas gehört sich nicht unter Blutsbrüdern. Du und ich, wir sind jetzt
Pobratim
– Blutsbrüder. Komm, stoß mit mir an.« Er reichte ihm die Flasche.
Mit gequältem Ausdruck blickte Hiroki auf den übel riechenden Schnaps. Es war noch früh am Morgen, und normalerweise trank er nie etwas vor den Abendstunden. Andererseits – es war dunkel, und das zählte ja auch, irgendwie.
»Mir bleibt auch nichts erspart«, seufzte er und griff nach der Flasche. »Ich hätte dich unter dem Eis lassen sollen. Das habe ich jetzt von meinem weichen Herzen.« Er trank einen Schluck und schüttelte sich.
Arkadij sah ihn einen Moment mit großen Augen an, dann brach er in schallendes Gelächter aus.
35
E s war gegen Abend, als sie endlich die Hütte erreichten. Wie aus dem Nichts tauchte Arkadijs Versteck vor ihnen aus der Dunkelheit auf, nur zu erkennen an einer verrammelten Tür, ein paar vereisten Fensterläden und einem eisernen Ofenrohr, das oben aus dem Schnee ragte. Nebenan stand eine zweite, kleinere Hütte, dahinter befand sich der Hundezwinger.
Hannah war froh, die lange Reise hinter sich gebracht zu haben. Das Wetter war während der letzten Stunde merklich schlechter geworden. Ein scharfer Ostwind, der Unmengen von Schnee mit sich führte, hatte eingesetzt. Wenigstens hatte er den Hubschrauber verscheucht. Seit heute früh hatten sie nichts mehr von ihm gesehen oder gehört.
Der Wind heulte und stürmte. Hannah spürte, welche Kraft die Elemente hier entfalten konnten. Zum Glück hatten sie für die kommende Nacht ein festes Dach über dem Kopf.
Arkadij hatte sich überraschend gut erholt. Der unverwüstliche Hundeführer hatte noch einige Male Ilkas furchtbarem Gesöff zugesprochen und war dann ohne viel Federlesen auf seinen Schlitten gestiegen und weitergefahren. Fast konnte man den Eindruck bekommen, dass er derlei öfter erlebte.
Während sie darauf warteten, dass er ihnen die Tür öffnete, fiel Hannah ein, dass morgen ja Heiligabend war. Nicht dass sie dem Fest in den letzten Jahren viel Beachtung geschenkt hätte. Meistens war sie irgendwo in Ländern unterwegs gewesen, in denen andere Feste gefeiert wurden, aber sie hatte Weihnachten noch nie in einer derart menschenfeindlichen Umgebung verbracht. Andererseits: Wenn der Weihnachtsmann tatsächlich existierte, dann doch wohl hier.
Als Kind hatte sie immer davon geträumt, irgendwann mal seinen Palast am Nordpol zu besuchen, wo er, umgeben von Wichteln und Rentieren, die Geschenke für die vielen Kinder auf der Erde produzierte. Das war vermutlich ohnehin eine reichlich amerikanisierte Vorstellung, hervorgebracht von einem Werbespezialisten bei Coca-Cola, aber für sie, die sie mit Micky Maus und Donald Duck aufgewachsen war, entsprach das nun mal ihrer Vorstellung, wie es am Nordpol aussah.
Jetzt also diese Hütte.
Sie war winzig. Vier auf sechs Meter, wie sollten sie da alle hineinpassen?
Wie sehr der Eindruck täuschte, zeigte sich, als sie endlich eintreten durften. Arkadij entzündete ein paar Petroleumleuchten, schob einen Stuhl zurück an
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