Valhalla: Thriller (German Edition)
sie es selbst nicht ganz so genau, schließlich gehen beide Reiche ja auf dieselbe antike Quelle zurück: auf Platon. Fest steht, dass die Nazis danach gesucht haben. Jahrelang. Dass sie es dann tatsächlich fanden, war wohl eher ein Zufall.« Sie räusperte sich. »Vielleicht aber auch nicht. Sie hatten schon immer ein großes Interesse an der Vergangenheit, wenn auch an einer Vergangenheit, wie
sie
sie sehen wollten. Es gab damals zwei archäologische Organisationen: Das Amt Rosenberg und die Organisation
Ahnenerbe
der SS . Wobei man die eigentlich vergessen kann. Ihre Aufgabe bestand lediglich darin, den Abstammungsmythos und die Überlegenheit der arischen Rasse wissenschaftlich zu untermauern. Taten so, als wollten sie archäologische Expeditionen fördern, aber eigentlich ging es um systematischen Kunstraub und globale kulturhistorische Plünderung. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde gestohlen und in riesigen Depots gelagert. Himmler – aber auch Hitler selbst – nutzte die Forschungsgemeinschaft als Plattform für krude Theorien und Experimente. Selbst vor Menschenversuchen machten die nicht halt. Wurden dann im Zuge der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 aufgelöst.«
»Und Rosenberg?«
»Nicht weniger fehlgeleitet, wenn auch ein bisschen seriöser arbeitend. Eine Dienststelle für Kultur- und Überwachungspolitik vom Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte mit dem Chefideologen Alfred Rosenberg an der Spitze. Rosenberg sah die Weltgeschichte als einen ständigen Kampf zwischen den reinblütigen ›Nordländern‹ – die seiner Auffassung zufolge Nachfahren von Atlantis waren – und den Semiten, womit er Menschen jüdischer Abstammung meinte. Er war überzeugt, dass die Germanen als Nachfahren der Bewohner von Atlantis das Gute repräsentierten, während die Juden das Böse in die Welt brachten. Dieser immerwährende Konflikt habe das Antlitz der Weltgeschichte geformt.«
Roberto stieß ein Lachen aus. »Das ist an geistiger Umnachtung kaum noch zu überbieten.«
»Stimmt, aber damals wurde es sehr ernst genommen. Das Amt Rosenberg hatte sich allen Ernstes zum Ziel gesetzt, Beweise für die Existenz von Atlantis und für die Überlegenheit der germanischen Rasse zu finden.«
»Und sie betrieben tatsächlich Feldforschung?«
Hannah nickte. »Da wurde viel Geld in diverse Projekte gesteckt, unter anderem in Expeditionen. Eine ihrer Expeditionen fand im Dezember 1938 statt. Ein deutsches Forschungsschiff unter Hakenkreuzflagge war im Südpolarmeer unterwegs, um Eis- und Gesteinsproben zu sammeln. Die Forscher waren auf der Suche nach Beweisen für die sogenannte Welteislehre. Diese Theorie besagte, dass in prähistorischer Zeit ein Komet auf der Erde eingeschlagen sei und die Urväter der arischen Herrenrasse beinahe vollständig auslöscht habe. Ein letzter Zufluchtsort habe sich in Tibet, im Himalaja, befunden, wo die Verbliebenen von Atlantis überlebt und das unterirdische Reich Shambala gegründet haben sollen.«
»Himmel, ist das hanebüchen …«
»Warte erst mal ab, bis du das Ende hörst. Es wurde nämlich eine zweite Expedition ins Leben gerufen, diesmal in den Himalaja. Unnötig zu erwähnen, dass beide Expeditionen erfolglos waren, sieht man mal von einer mysteriösen Statue ab, die Himmlers Chefarchäologe Ernst Schäfer aus dem Himalaja mitbrachte. Eine etwa zehn Kilogramm schwere Eisenfigur, auf der ein Hakenkreuzsymbol zu sehen war und die obendrein aus einem unbekannten Material bestand. Später stellte sich heraus, dass es sich um einen sogenannten Ataxit handelte, einen Meteoriten, der aus der Eisen-Nickel-Legierung Taenit bestand. Eine Figur mit Hakenkreuz, die obendrein noch außerirdischen Ursprungs war – ein gefundenes Fressen für den Chefideologen Himmler, der daraufhin gleich eine weitere Expedition in Auftrag gab. Diesmal in den hohen Norden. Dabei stießen sie auf das hier.« Sie deutete nach oben. »Du siehst also, da wurde eine Menge Geld und Energie reingesteckt. So gesehen, ist es vielleicht doch kein Zufall.« Hannah zuckte die Schultern. »Ich bin mir aber nicht mal sicher, ob Himmler oder Hitler von der Tragweite dieser Entdeckung überhaupt noch erfahren haben. Als die ersten Übersichtsskizzen und Straßenkarten erstellt wurden, ging es in Deutschland nämlich schon zu Ende. Ausgeträumt der Traum von der überlegenen Nordrasse, Schluss mit dem Germanentum und dem Tausendjährigen Reich.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten
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