Valhalla: Thriller (German Edition)

legte sich hin. Sein zufriedenes Grunzen verriet, wie sehr er es genoss, die Beine ausstrecken zu können. Hannah stand auf und legte sich neben ihn. Ebenso Roberto.
    »Das ist gut«, murmelte er. »Es kommt mir so vor, als hätte ich seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen.«
    »Geht mir auch so«, sagte Hannah. »Ich verstehe überhaupt nicht, wieso ich so erledigt bin.«
    »Abgesehen davon, dass du für zwei atmen musst?«, fragte Roberto. »Ich würde sagen, Sauerstoffmangel. Diese Atemfilter behindern die Luftzufuhr. Deine Lunge muss viel mehr arbeiten. Ist wie auf einem Berg. Aber du wirst dich daran gewöhnen. Morgen spätestens wird es dir leichter fallen.«
    Morgen. Hannah war jetzt schon genervt. Es fühlte sich an, als würde man Sauerstoff aus einer Konserve atmen. Ganz abgesehen von dem dämlichen Zischen der Ventile. Andererseits – sie hatte keine Lust, noch einmal mit diesen Viren in Kontakt zu kommen. Einmal war völlig ausreichend. Also fügte sie sich in ihr Schicksal und versuchte, sich zu entspannen.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass diese Stadt so alt sein soll«, sagte Hiroki, der mit seiner Lampe die mächtigen Steinquader der Uferbegrenzung ableuchtete. »Fünftausend Jahre. Ich bin ja kein Archäologe, aber das kommt mir verdammt alt vor.«
    »Vermutlich ist sie älter«, sagte Hannah. »Wenn es stimmt, was ich glaube, dann fällt der Bau dieser Metropole in den Zeitraum zwischen 8000 und 4000 vor Christus. In das sogenannte
Atlantikum
, auch als
holozänes Optimum
bekannt. Damals herrschte auf der Nordhalbkugel der Erde eine Wärmeperiode. Sie führte nicht nur dazu, dass die Sahara eine blühende und grünende Savanne war, sondern brachte gleichzeitig auch die ersten menschlichen Hochkulturen hervor. Çatal Höyük zum Beispiel, in der anatolischen Hochebene gelegen. Die Stadt gehört seit 2012 zum Welterbe der UNESCO . In ihrer Blütezeit zwischen 7400 und 6200 vor Christus umfasste sie bereits mehrere tausend Einwohner. Sie war aus Lehmziegeln und Stampflehm erbaut und gilt unter Archäologen als eine der ältesten Städte der Welt. Später folgte dann in West- und Nordeuropa die sogenannte Megalithkultur. Eine entwicklungsgeschichtliche Hochphase, die sich vor allem durch massive Steinbauten, Hügelgräber und Steinkreise auszeichnete.«
    »Stonehenge?«
    Hannah nickte. »Genau genommen ist der Begriff Megalithkultur nicht ganz zutreffend, da es sich um mehrere, voneinander unabhängige Kulturkreise handelt, aber er hat sich nun mal so eingeprägt und ist schwer wieder aus den Köpfen der Leute herauszubringen. Bemerkenswert ist jedoch, wie weit sie vor allem in nördlichen Gebieten verbreitet war. Man kann die Funde vor allem in Irland, Schottland, England und den skandinavischen Ländern bewundern, und sie datieren alle aus der Jungsteinzeit sowie der Bronzezeit.«
    »Dann wäre das hier ebenfalls megalithisch, oder?«
    »Das wäre jetzt blanke Spekulation. Aber wenn du recht hast, dann könnte diese Stadt der lang gesuchte Ursprungsort sein. Immerhin ist dies hier zwei- bis dreitausend Jahre älter. Später dann, als die Temperaturen abkühlten, verschwand die Stadt unter dem Gletscher.« Sie lächelte. »Wisst ihr, dass ich Stromberg ausgelacht habe, als er mir mit Hyperborea kam? Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass er mit seiner Vermutung voll ins Schwarze getroffen hat.«
    »Wie passen die Nazis da rein?«, fragte Roberto. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass es ein Zufall war, dass sie diese Stadt vor uns entdeckt haben. Warum haben sie ausgerechnet hier solch ein gefährliches Biowaffenlabor errichtet? Ihr Deutschen seid immer so verdammt gründlich, ihr überlasst doch nie etwas dem Zufall.«
    »Na, na, da pflegt aber jemand seine Vorurteile.« Hannah grinste. »Nicht alle Deutschen sind Nazis, und nicht alle Nazis sind Deutsche. Aber du hast schon recht: Ich glaube selbst nicht, dass es ein Zufall war, dass die Nazis diesen Ort entdeckt haben. Ich habe mir die Unterlagen, die uns dieser Geschichtsprofessor aus Potsdam – Wolfram Siebert – geschickt hat, gründlich angesehen. Die Nazis waren ganz versessen darauf, ihren Rassenmythos geschichtlich zu untermauern. Sie bezeichneten die Nordländer als Ursprung des Germanentums und glaubten, dass sie Nachfahren einer überlegenen Rasse gewesen seien, die ihre Hauptstadt im Reich Atlantis gefunden hätten. Ob sie Atlantis sagten und Hyperborea meinten, werden wir wohl nie herausfinden. Vermutlich wussten