Valhalla: Thriller (German Edition)
hätte, stand er da, lauschte und wartete ab. John huschte ein leiser Fluch über die Lippen. Er schwenkte hinüber zu seinem Freund und seiner Geliebten und sah, dass die beiden hinter einem mächtigen Felsblock Schutz gesucht hatten. Roberto hatte die Pistole gezogen, die John ihm mitgegeben hatte. Gut so. Kein Risiko jetzt. Zur Not konnten sie ihren Zeitplan immer noch ein wenig nach hinten korrigieren.
In diesem Moment erklang das Geräusch eines Telefons. Der Mann machte kehrt, ging in die Hütte zurück und nahm ab.
Der Weg war frei.
Hannah wartete noch einen kurzen Moment, dann verließ sie zusammen mit Roberto ihr Versteck. Als sie den Tunnel erreichte, drehte sie sich noch einmal um und gab John ein Okay-Zeichen. Dann tauchte sie ins Halbdunkel ab.
*
Gelbliche Energiesparlampen spendeten trübes Licht. Gerade hell genug, um sich zu orientieren, aber bei weitem nicht so stark, dass man von einer wohltuenden Atmosphäre sprechen konnte. Hannah fühlte sich an einen schlechten Horrorfilm erinnert. Sie wusste ja, dass die Station einst aus den Resten dreier zerlegter U-Boote erbaut worden war, doch hätte sie sich nie träumen lassen, dass es hier immer noch so aussah. Wie es schien, hatten die Russen nur notdürftige Veränderungen vorgenommen, etwa die Beschriftungen verändert und an zentralen Punkten schematische Pläne der Station aufgehängt. Tagsüber, wenn hier gearbeitet wurde, drehten sie die Beleuchtung vermutlich höher, doch im Moment wirkte es, als würde die Stromversorgung nur auf Reserve laufen. An manchen Stellen tropfte es von der Decke. Pfützen hatten sich gebildet, und das Kondenswasser ließ die Rohrleitungen glänzen. Das rostige Eisen wirkte bei diesem Licht fleckig und trostlos. Angelaufene Nieten, rostige Bolzen und wellige Bodenbleche zeigten an, dass diese Station jahrzehntelang unbenutzt gewesen war.
Wie es schien, stimmten die Daten von Gravos. Die Station schlief. Außer dem Wachposten hinter ihnen war alles ruhig.
Hannah spürte, wie sich ihr Magen ein klein wenig entkrampfte. Die Leute hier hielten tatsächlich Nachtruhe, so absurd das auch klang. Abgesehen davon, dass draußen ohnehin immerwährende Nacht herrschte, befanden sie sich tief unter dem Eis. Hier gab es nur künstliches Licht, künstliche Luft und künstliche Räume. Eine komplett vom Menschen gestaltete Welt, die jedoch immer noch, wie an unsichtbaren Schnüren, vom Faktor Zeit beherrscht wurde. Vielleicht war es die Sehnsucht nach Ordnung und Geborgenheit, der Gedanke an die Heimat und an liebgewonnene Routinen, die die Menschen daran festhalten ließen. Was auch immer es war, für Hannah und Roberto war es ein großes Glück, denn auf diese Weise kamen sie zügig und ohne Zwischenfälle voran.
Ein gewisses Risiko bestand natürlich immer. Ein Mitarbeiter, der unter Schlaflosigkeit litt, jemand, der aufs Klo musste oder Durst hatte – es konnte immer etwas schiefgehen. John hatte sie während der langen dunklen Abende mit Geschichten aus seiner Zeit beim Geheimdienst erheitert. Storys über Pannen und vermasselte Einsätze. Man glaubte gar nicht, was alles passieren konnte, wie viele Millionen an Steuergeldern schon verpulvert worden waren, weil irgendjemand im feindlichen Lager unter Harninkontinenz litt. Hannah konnte nur hoffen, dass sie heute Nacht von solchen Störungen verschont blieben.
Roberto, der bereits den nächsten Wegabschnitt zurückgelegt hatte, war stehen geblieben und blickte vorsichtig um die nächste Ecke. Als Hannah bei ihm eintraf, deutete er nach links. Eine notdürftig mit weißer Farbe bepinselte Eisentür versperrte ihnen den Weg. Daneben befand sich ein Terminal mit einem Ziffernfeld. Kein Zweifel: Sie hatten den Zugang zur Dekontaminationskammer erreicht. Ab hier waren nur noch Mitarbeiter mit besonderer Befugnis zugelassen.
Hannah fischte einen Zettel aus ihrer Tasche und warf einen Blick auf Hirokis ungelenke Handschrift. Und da sage noch einer, diese Japaner wären alles Kalligraphen. Sie kniff die Augen zusammen. Würde die Nummernfolge tatsächlich funktionieren? Wenn nicht, dann war das jetzt das Ende ihrer Reise.
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie sah sich um, eilte hinüber zum Terminal und tippte die Kombination von Zahlen und Buchstaben in den Tastenblock.
*
John setzte das Fernglas ab.
Der Eingang, vor dem sie Stellung bezogen hatten, war praktisch mit Zugang C identisch, nur mit dem Unterschied, dass es hier zwei Wachen gab. Die Tür zum Häuschen
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