Valhalla: Thriller (German Edition)
genommen war sie nicht frisch, sie war gefiltert; dennoch war es eine Wohltat, nicht mehr durch die Gasmaske atmen zu müssen. Was hätte sie jetzt für eine Dusche gegeben, aber sie wollte ihr Glück nicht überstrapazieren. Ein Blick in den Spiegel offenbarte ihr, was sie insgeheim befürchtet hatte. Sie sah furchtbar aus. Ihr Gesicht war blass und verschwitzt. Ihre Nase ähnelte der eines Trinkers, und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe.
»Du meine Güte«, stöhnte sie. »Schau dir bloß meine Haare an.« Die braune Flut stand in alle Richtungen ab.
Roberto lächelte, sagte jedoch nichts. Er war klug genug, um zu wissen, wann er zu schweigen hatte. Hannah war dankbar für sein Taktgefühl; was sie jetzt nicht brauchen konnte, waren falsche Komplimente.
Sie blickte auf die Uhr. Noch zweiundzwanzig Minuten.
Mit schnellen Bewegungen band sie ihre Haare mit einem Gummi zusammen, spritzte etwas Wasser in ihr Gesicht und trocknete sich mit einem Papiertuch ab. »Fertig«, sagte sie.
50
G eneraloberst Fradkov ließ die Monitore keinen Moment aus den Augen. Sein Blick hatte etwas Starres, Durchdringendes. Wie eine Gottesanbeterin, kurz bevor sie zuschlug.
Viktor kannte seinen Vorgesetzten jetzt schon lange, verdammt lange. Sie hatten zusammen viele Höhen und Tiefen durchstanden, hatten Triumphe und Niederlagen erlebt. Dass es dabei niemals zu einer Freundschaft gereicht hatte, hing mit ihren unterschiedlichen Rängen zusammen – hatte er zumindest immer geglaubt. Doch jetzt war er sich dessen nicht mehr so sicher. Da war etwas an Fradkov, das ihm fremd war. Eine geradezu menschenverachtende Kälte und Entschlossenheit. Er fragte sich, ob es damit zusammenhing, was er in den Tunnels gefunden hatte.
»Sie sind also bereits in den Labors?«
»Jawohl, Genosse Generaloberst. Sie haben soeben die Dekontaminationskammer durchquert und die Umkleideräume betreten. Ich habe herausgefunden, dass sie im Besitz einer unserer Gravos-Einheiten sind und unbegrenzten Zugriff auf unsere Systemdaten erlangt haben müssen; anders ist das nicht zu erklären. Vermutlich haben sie es einem meiner Leute abgenommen, als sie die Kammern verlassen haben.« Er warf einen furchtsamen Seitenblick zu Fradkov, dessen Gesicht nur noch eine Handbreit vom Bildschirm entfernt war. Das bläuliche Licht ließ seine Haut wie vereist erscheinen.
»Mit dem Wissen, dass sie jeden unserer Schritte überwachen, habe ich unseren Einheiten falsche Signale einpflanzen lassen. Für einen Eindringling muss es so aussehen, als würden sich unsere Männer allesamt in den Schlafräumen aufhalten, während ich sie in Wirklichkeit an bestimmten Schlüsselstellen im Forschungskomplex stationiert habe. Von dort aus können sie jederzeit zuschlagen. Soll ich jetzt den Befehl geben, Herr Generaloberst?«
»Nein«, sagte Fradkov. »Lass sie ruhig noch ein bisschen in dem Glauben, dass sie es geschafft hätten. Noch ein paar Minuten, dann lassen wir die Falle zuschnappen.« Er trat einen Schritt zurück und legte Viktor seine Hand auf die Schulter. »Gut gemacht, mein Freund. Zum Glück hast du nur einen leichten Schlaf. Möglich, dass wir den Einbruch erst bemerkt hätten, wenn es bereits zu spät gewesen wäre. Wo befinden sich Evans und die anderen in diesem Moment?«
»Zugang A. Die Wachen dort wurden bereits instruiert. Sie verhalten sich bewusst unauffällig. Sobald Evans ein Stück weit vorankommen ist, machen wir den Sack zu.«
»Gut. Sehr gut.« Der Generaloberst atmete tief durch. Er wirkte sichtlich entspannter, auch wenn er noch weit davon entfernt war, der Mann zu sein, den Viktor zu kennen glaubte.
»Wie es scheint, hast du an alles gedacht. Du hast deine Sache gut gemacht, ich bin zufrieden.«
Viktor nickte. Er hatte auf diese Reaktion gehofft. Wenn er ihm Evans und Peters lieferte, würde Fradkov sein Versagen vielleicht wieder vergessen. Doch wie gesagt: Er musste diesmal erfolgreich sein.
»Eine Frage, Genosse Generaloberst …«
Fradkov hob eine Braue. »Was gibt es?«
»Ohne aufdringlich sein zu wollen, aber Sie haben bisher noch kein Wort über den Einsatz in den Kaiserkammern verloren. Ich wäre neugierig, zu erfahren, was Ihre Untersuchung ergeben hat. Haben Sie in Erfahrung bringen können, was …«
»Kein Kommentar.«
Viktor schluckte. »Bei allem Respekt, Generaloberst, unter meiner Führung sind sieben Männer gestorben. Ich finde, ich habe ein Recht …«
»Kein Kommentar, habe ich gesagt. Wenn unsere Arbeit hier getan
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