Valhalla: Thriller (German Edition)
Gleich beim ersten Mal. Ich hätte zum Geheimdienst wechseln sollen, so wie John.« Auf Robertos Gesicht erschien ein trauriges Lächeln. »Er ist ein guter Mann. Weißt du eigentlich, wie eifersüchtig ich anfangs gewesen bin? Ich habe dich niemand anderem gegönnt, doch jetzt, da ich ihn kennengelernt habe, bin ich sicher, dass du keinen besseren hättest finden können. Das mit uns wäre sowieso nichts geworden. Zu einseitig.«
»Roberto …?«
»Ich mag deine Freunde, Hannah. Besonders mag ich Ilka. Ich ärgere mich, dass ich mit ihr nichts angefangen habe; ich glaube, das hätte etwas werden können. Meinst du, sie mochte mich? Ich glaube, dass sie auf mich stand. Tja, verpasste Gelegenheiten …«
»Hör auf, so zu reden, du machst mir Angst.«
»Du brauchst keine Angst zu haben, es ist so einfach. Du musst gehen, ich werde bleiben.«
»Wovon sprichst du? Und was hast du mit dem Kasten vor?«
»Ist das so schwer zu verstehen? Ich werde den Laden hier in die Luft jagen. Spürst du es nicht? Das Ganze ist außer Kontrolle geraten. Ich werde die Bomben zünden und alles verbrennen. Jeden verdammten Keim werde ich in Staub verwandeln.«
Hannah wich erschrocken zurück. Sie kannte ihren Freund schon sehr lange, aber so wie heute hatte sie ihn noch nie gesehen. »Du musst verrückt sein …«, murmelte sie.
»Ich bin nicht verrückt. Du rennst zu John, ich werde hier bleiben und die Bombe zünden, sobald du in Sicherheit bist. Zehn Minuten müssten reichen, oder? Leider ist dies nur ein Notschalter. Kein Zeitzünder wie in den James-Bond-Filmen. Einer muss hierbleiben und ihn drücken. Aber ich hätte es ohnehin nicht geschafft, ohne Maske.« Er lächelte, als er Hannahs verdutztes Gesicht sah. »Du bist immun, Hannah, wusstest du das nicht? Du trägst den Erreger bereits in dir. Dein Baby schützt dich. Ich habe mir die Unterlagen angesehen. Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass du einfach da hinausspazieren kannst, ohne dass dir irgendetwas geschehen wird. Eigentlich hättest du den Schutzanzug überhaupt nicht gebraucht. Du hast das Virus bereits einmal besiegt, Hannah. Ein zweites Mal ist nicht nötig.«
»Aber du bist nicht immun …«
Er lächelte schwach. »Nein, Hannah, ich bin nicht immun. Deswegen sage ich ja, dass einer bleiben muss. Und sieh es doch mal so: Ich habe einmal in meinem Leben die Möglichkeit, etwas Großes zu vollbringen. Das werde ich mir, verdammt noch mal, nicht von so einem kleinen Scheißkerl wie diesem Virus verderben lassen. Und jetzt geh. Die Zeit drängt. Im Moment sind alle abgelenkt. Wir müssen handeln, ehe Fradkov mitbekommt, was hier abgeht.«
»Nein.« Hannah schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Ich werde dich nicht hier unten allein verbrennen lassen. Das könnte ich mir niemals verzeihen …«
»Könntest du es dir verzeihen, wenn wegen deiner Unentschlossenheit dieser Erreger in die Außenwelt gelangt? Wenn wegen uns Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Menschen sterben oder sich gegenseitig zerfleischen? Jetzt ist der Punkt gekommen, wo wir handeln müssen, Hannah. Wir sitzen hier auf einer biologischen Zeitbombe von ungeheurem Ausmaß. Bist du sicher, dass du es dir verzeihen könntest, wenn wegen deiner Unterlassung die Menschheit untergeht? Und dein Kind? Du trägst die Verantwortung für einen anderen Menschen, vergiss das nicht. Dieses kleine Wesen ist vollkommen abhängig von dir. Wie willst du ihm in ein paar Jahren erklären, was du getan hast, hm? Ich habe gelebt, ich habe meine Zeit genossen, aber dein Baby hat noch sein ganzes Leben vor sich. Scheiße, Hannah, wenn du schon nicht an dich selber denkst, dann denk wenigstens an dein Baby.«
Die Worte trafen Hannah bis ins Mark. Sie spürte, dass er recht hatte, sie wusste es. Und doch … sie konnte doch nicht einfach einen Freund im Stich lassen.
Roberto schien ihre Gedanken zu erraten. Ehe sie ihn daran hindern konnte, eilte er zur Tür und öffnete den Schließmechanismus. Mit einem Quetschen schwang die Pforte auf. Ein Schwall kühler, feuchter Luft drang zu ihnen herein. Sie roch ganz anders als die sterile Laborluft. Hannah spürte die Feuchtigkeit, nahm den Duft von Eis und alten Steinen auf. Es war, als wäre sie wieder in der alten Stadt, als hätte sie wie durch Zauberei die Jahrtausende übersprungen. Sie sah die prächtigen Bauwerke, die bunten Fahnen und die reich gekleideten Menschen. Sie hörte die Stimmen, die Worte in einer fremdartigen Sprache murmelten, sah
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