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Valhalla: Thriller (German Edition)

Valhalla: Thriller (German Edition)

Titel: Valhalla: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Geste neben sie auf das Sofa. Hannah runzelte die Stirn. So ging man doch nicht mit einem antiken Buch um. Allerdings entpuppte sich die Lektüre bei näherem Hinsehen als nicht wirklich wertvoll. Es hatte seine besten Jahre offenbar schon lange hinter sich. Tatsächlich war es nicht viel mehr als ein zerfleddertes Heft mit Eselsohren, Flecken und fehlendem Einband. Auf ihren fragenden Blick hin sagte Stromberg: »Warum sollte ich viel Geld für ein Buch ausgeben, in dem ich ständig lese? Der Inhalt ist entscheidend, nicht die Hülle. All diese in edles Rinderleder geschlagenen Bücher sind ja ganz hübsch anzuschauen, aber die wirklich wichtigen Werke sehen so aus.«
    »Und wozu dann diese Bibliothek?«
    Er zuckte die Schultern. »Manche Werke sind nicht anders zu bekommen. Außerdem, unter uns gesagt, ein bisschen Show gehört schon auch dazu. Wie sähe es denn aus, wenn ich meine Geschäftspartner inmitten einer Sammlung zerlesen aussehender Micky-Maus-Hefte empfangen würde?«
    »Herodot ist nun nicht gerade Micky Maus …«
    Stromberg lachte und entnahm der chinesisch anmutenden und offenbar ziemlich alten Kanne ein eiförmiges Teesieb. »Das ist wohl wahr.«
    »Trotzdem wäre ich ein bisschen vorsichtig, was Herodot betrifft«, sagte Hannah. »Die althistorische Forschung hatte krasse Unvereinbarkeiten zwischen seinen Berichten und den Erkenntnissen neuzeitlicher Ausgrabungen festgestellt, wobei ich seine Verdienste nicht schmälern will. Er trägt den Titel
Vater der Geschichtsschreibung
nicht zu Unrecht, und ohne seine Aufzeichnungen wäre eine Fülle von historischem und geographischem Material für immer in Vergessenheit geraten.«
    »Haben Sie alle seine Werke gelesen?«
    »Nicht alle, aber die meisten. Für mich gehörte das zur Pflichtlektüre, weil er jahrhundertelang die einzige Quelle für die Kultur und Religion des alten Ägypten und Mesopotamien gewesen ist und ich lange Jahre dort geforscht und gearbeitet habe.«
    »Sehen Sie, das ist genau der Grund, warum ich Sie hergebeten habe«, sagte Stromberg und begann Hannah und sich einzuschenken. Die Farbe war goldgelb, und von den Tassen stieg ein wunderbarer Duft auf.
    »Yin Zhen, die
weißhaarige Silbernadel
«, erläuterte Stromberg auf Hannahs fragenden Blick. »Es werden nur die Blattknospen verwendet und der Tee nur an zwei Tagen im Jahr gepflückt. Etwas Zucker dazu?« Er deutete auf eine kleine Zuckerdose, in der sich dunkelbrauner Kandis befand.
    »Danke, nein.« Sie nippte daran. Der Geruch hatte nicht zu viel versprochen, der Tee schmeckte wundervoll.
    Stromberg nickte zustimmend, trank selbst einen Schluck und stellte die pergamentdünne Porzellantasse vorsichtig ab. »Ich komme auf Herodot, weil ich der Meinung bin, dass wir, genau wie damals bei der Entzifferung der Himmelsscheibe, mit einem Rätsel konfrontiert sind, das seinen Ursprung im Zweistromland hat.«
    »Wieso das?«
    »Warten Sie, ich habe es gleich.« Er blätterte bis zur Mitte des Büchleins vor und drehte es dann so, dass Hannah es sehen konnte. »Hier, lesen Sie, Abschnitt 13 bis 15. Aber bitte laut.«
    Hannah setzte ihre Brille auf und überflog kurz den Titel. Historien des Herodot, Buch vier: Dareios, Skythenfeldzug und Feldzug gegen Libyen.
    »Abschnitt 13 bis 15 sagen Sie? Ah, da haben wir es ja.« Sie räusperte sich.
    »Auch erzählt Aristeas, der Sohn des Kaystrobios, aus Prokonnesos, ein epischer Dichter, er sei von Phoibos begeistert zu den Issedonen gekommen; über den Issedonen aber wohnten die Arimaspen, Männer mit einem Auge, und über diesen die goldbewachenden Greifen, über diesen aber die Hyperboreer, die sich bis zum nördlichen Meer hinziehen.« Sie stockte. Sie kannte diese Textpassage. Es war einer der am meisten diskutierten und zitierten Abschnitte in Herodots Werk. Mit einem Mal war ihr klar, was Stromberg im Kopf herumspukte. Und ihr war auch klar, warum seine Wahl ausgerechnet auf sie gefallen war.
    »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?«
    Der Magnat schien sich köstlich zu amüsieren. Er faltete seine Hände über dem Bauch und grinste übers ganze Gesicht.
    »Warum nicht?«
    »Hyperborea
?
«
    »Warum nicht?«, wiederholte Stromberg seine Frage.
    »Na, weil das … weil das Unfug ist, deshalb. Selbst Herodot war dieser Meinung. Er zitiert hier einen gewissen Aristeas, einen Dichter, den er selbst, wenn man den Text mal weiterliest, als äußerst unzuverlässige Quelle erachtet.«
    »Das stimmt«, räumte Stromberg ein. »Aber der

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