Valhalla: Thriller (German Edition)
Unbehagen in sich aufsteigen. »Wissen Sie, dass Sie John damit sehr weh getan haben? Er vergöttert Sie. Mit seinem Ausschluss haben Sie nicht nur ihn verletzt, sie haben auch einen Keil zwischen uns getrieben. Wie Sie wissen, sind wir seit geraumer Zeit ein Paar …«
»Das weiß ich, und ich freue mich auch darüber, aber es ließ sich nicht umgehen«, sagte er. »Ich musste schnell handeln. John ist zu sehr Alphatier, um sich anderen unterzuordnen, und es ist bereits ein Team vor Ort. Was ich brauche, ist jemand, der die Expedition fachlich und spirituell begleitet. Eine Art moralische Instanz, falls man auf irgendwelche unerklärlichen Phänomene stoßen sollte …«
Hannah lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Ihr war klargeworden, welche Funktion Stromberg ihr zugedacht hatte. Er brauchte eine Schamanin, eine Hexendoktorin – jemanden, der den Kaffeesatz deutete. Alles Dinge, die sie nicht wollte. Sie fühlte sich in ihrem Entschluss bestätigt.
»Ich fürchte, Sie enttäuschen zu müssen«, sagte sie. »Was Sie von mir verlangen, ist nicht möglich. Ich glaube, Sie sehen eine Person in mir, die ich nicht bin.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Wissen Sie, damals in der Sahara, da habe ich versucht, ein Mitglied meiner Expedition zu hypnotisieren«, sagte sie leise. »Es endete in einem Fiasko. Alle Begebenheiten, in denen ich mich auf meine übersinnlichen Fähigkeiten berief, endeten so. Ich habe einen Menschen getötet, weil ich dachte, es müsse so sein. Heute stehe ich vor Ihnen als jemand, der sich selbst und seine Fähigkeiten immer wieder auf den Prüfstand stellt. Ich tue das, weil ich gemerkt habe, dass ich besser fahre, wenn ich mich an die Fakten halte. Wenn ich nur gelten lasse, was ich sehen, hören und dokumentieren kann.«
»Dann werden Sie für mich also nicht in die Arktis reisen?«
»Das habe ich nicht gesagt …«
»Was haben Sie dann gesagt?«
»Dass ich nicht mit dem Vorsatz in die Arktis fahre, Hyperborea für Sie zu entdecken. Ich werde dorthin reisen, um herausfinden, was es mit diesen seltsamen Gesteinsstrukturen auf sich hat. Nicht mehr und nicht weniger.«
Stromberg ließ sich zurücksinken. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Danke. Das ist alles, was ich mir von Ihnen erhofft hatte.«
6
W olfram Siebert wischte seine schweißnassen Hände an der Hose ab. Vor ihm auf dem Tisch lag sein Tablet-Computer mit den Aufnahmen der Spionkamera, daneben sein aufgeklapptes Notebook, auf dem sich eine längere E-Mail-Korrespondenz mit einem guten Freund und Kollegen vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg befand.
Das BNI war in einem beeindruckenden Ziegelbau nahe der Hamburger Landungsbrücken untergebracht und beschäftigte rund 230 Mitarbeiter. Seine Forscher waren entscheidend an der Diagnostik der
Coronaviren
beteiligt, die 2003 die lebensgefährliche Lungenerkrankung
Sars
ausgelöst hatte. Auch die Untersuchung des
Usutu-Erregers
, der in den vergangenen Jahren zu einem massenhaften Amsel-Sterben in Deutschland geführt hatte, ging auf ihr Konto.
Sieberts Freund und Schulkamerad Konrad Gräber war seit 2010 Leiter der Virendiagnostik am BNI . Ein ausgewiesener Experte für exotische Krankheiten und ein Spezialist in Sachen hämorrhagisches Fieber.
Das hämorrhagische Fieber, auch blutbrechendes Fieber genannt, war eine infektiöse Erkrankung, die mit starken kapillaren Blutungen einherging. Das Lassa- und Dengue-Fieber gehörten dazu, ebenso das Ebola- und das Hanta-Virus. Zusammen bildeten sie die schlimmsten Krankheiten, die es auf diesem Planeten gab. Und ausgerechnet in einem siebzig Jahre alten Tagebuch, geschrieben von einem Offizier der Wehrmacht, war Siebert auf Spuren dieser Krankheit gestoßen. Und nicht nur das. Wenn es stimmte, was hier zu lesen stand, konnte es sich sogar um eines der sogenannten
Pandoraviren
handeln. Ein Erreger, der – wie Gräber ihm erklärt hatte – erst kürzlich wieder in den Fokus des Interesses gerückt war und der sich auf keinen bekannten Zellstammbaum zurückführen ließ. Diese Erreger waren riesig, weshalb sie zu den sogenannten Megaviren zählten.
Siebert schüttelte sich.
Was hatten die Nazis da unter dem Eis nur getrieben? Es war so unfassbar, dass man glauben konnte, der Verfasser des Tagebuchs habe im Fieberwahn geschrieben. Nun, ganz offensichtlich war dem auch so, aber in den vorderen Abschnitten – denen, in denen er noch bei Verstand war – klang alles noch ganz nüchtern und
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