Valhalla: Thriller (German Edition)
war’s genug. Seine Zunge klebte am Gaumen, er fühlte sich nervös und zittrig.
Ein Blick auf die Armbanduhr sagte ihm, dass es kurz nach 21 Uhr war. Zu spät, um sich noch den Magen vollzuschlagen, aber ein kleines Sandwich und ein Drink an der Bar waren noch drin. Er brauchte jetzt etwas, um sich für seinen Fund zu belohnen und seine überreizten Nerven zu beruhigen.
Auf dem Weg nach unten begegnete er niemandem. Das Hotel wirkte wie ausgestorben. Er stieg in den Lift, drückte den Knopf fürs Erdgeschoss und ließ sich nach unten tragen. Muffige Luft, einschläfernde Musik. Normalerweise benutzte er die Treppen, aber aus irgendeinem Grund war ihm heute nach Komfort und Luxus.
In der Lobby angekommen, schwenkte er nach rechts, nickte dem Mann an der Rezeption kurz zu und steuerte schnurstracks in die Bar.
Warum er seit Jahren immer wieder in diesem Hotel logierte, hatte einen Grund. Es lag nicht daran, dass die Betten so übermäßig bequem oder die Zimmer so verschwenderisch groß waren. Nein, der Grund war, dass es relativ zentral lag und über eine gut bestückte Whiskytheke verfügte. Tatsächlich war es die beste Auswahl von schottischen Single Malts, die er jemals in einem Hotel angetroffen hatte. Der Inhaber war selbst ein großer Whiskyfan und hatte seine Leidenschaft zu einer Geschäftsidee umfunktioniert. Offenbar gab es ähnliche Hotels in München und Köln, aber hier war es wirklich sinnvoll. Freiburg war eine junge, weltoffene Stadt, und es kamen viele Franzosen aus dem nahe gelegenen Elsass herüber. Ob man es glauben mochte oder nicht, aber die Franzosen waren die weltgrößte Whiskytrinkernation. Tatsächlich konsumierten sie im Jahr mehr Whisky als die Iren und die Engländer zusammen. Und so verwunderte es nicht, dass die Bar auch an diesem Abend wieder gut besucht war.
Der Anblick glänzender, hell beleuchteter Flaschen erwärmte Sieberts Herz. Er wählte einen freien Platz auf der linken Seite der Bar, von wo aus man den Raum am besten überblicken konnte, und winkte dem Mann hinter der Theke zu. Hakan, dessen türkische Wurzeln nur noch im dunklen Haar und in der gebräunten Haut zu erkennen waren, kam zu ihm herüber. Ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. »Herr Siebert, wie schön, Sie auch mal wieder bei uns begrüßen zu dürfen. Geschäftlich in Freiburg?«
Siebert nickte. »Recherche im
Barch
. Ich bin allerdings nur kurz hier, morgen muss ich wieder weg.«
»Schon? Wie schade. Viel zu tun gerade?«
»Das auch, aber vor allem möchte meine Frau mal wieder etwas von mir haben. Sie hat morgen Abend Gäste eingeladen und rechnet fest mit mir.«
»Dann müssen Sie unbedingt zurück. Als Hausherr haben Sie die Pflicht und die Ehre, die Gäste persönlich zu empfangen. Außerdem ist es doch schön, wenn die eigene Frau noch auf einen wartet, oder?«
»Schlimm, wenn es nicht so wäre.«
Sie lachten. Siebert kniff die Augen zusammen. »Seit meinem letzten Besuch scheint sich einiges verändert zu haben. Ein paar neue Flaschen im Angebot, wie ich sehe?«
»Ist ja auch schon eine Weile her, dass Sie das letzte Mal hier waren. Lassen Sie mich sehen …«
Hakan wusste, worauf Siebert stand. Würzige, volle Whiskys von den Inseln, aber ohne das penetrante Torfraucharoma, das die Liebhaber von Brennereien wie Lagavulin, Laphroaig oder Caol Ila so schätzten. Für Siebert war das allenfalls etwas, um den Motor zu reinigen, oder wenn er sich nach einem Spaziergang mit seinem Hund bei schneidender Kälte wieder aufwärmen wollte. Hakans Finger wanderten über das Sortiment und machten dann bei einer schwarzen, untersetzten Flasche halt.
»Hier habe ich etwas für Sie. Ein Bunnahabhain, 18 Jahre. Schon mal gekostet?«
Siebert schüttelte den Kopf. Er hatte vor Urzeiten mal den 12er getrunken und ihn als ganz brauchbar in Erinnerung behalten.
»Der ist sensationell. Wollen Sie ihn versuchen?«
»Gerne. Überraschungen bin ich nie abgeneigt.«
Hakan griff nach der Flasche, entkorkte sie, nahm ein Nosingglas zur Hand, füllte einen kleinen Schluck vom billigen J&B hinein und schwenkte das Glas damit aus. Dann goss er den Inhalt in den Ausguss und achtete darauf, dass möglichst nichts davon zurückblieb. Dann füllte er gut einen Fingerbreit Bunnahabhain hinein. Siebert genoss die Zeremonie. Nicht nur, dass man hier die richtigen Gläser bekam, nein, auch das Ausschwenken des Glases mit einem neutralen Blend war ein Service, der nur selten geboten wurde. Der Sinn dahinter war
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