Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
von draußen wurde schlagartig lauter. Man hatte die Flügeltür geöffnet. Hal stieß einen Fluch aus und versteckte sich hinter einem Pfeiler. Schon hörte er Hords laute, gebieterische Stimme, begleitet von knallenden Stiefelabsätzen.
    »Das kümmert mich nicht!«, sagte Hord. »Du gehst erst zu deinem Onkel und bringst ihm alles, was er haben möchte. Vorher setzt du dich nicht an den Tisch! Danach hast du noch reichlich Gelegenheit, dich vollzustopfen.«
    Die Stiefel stapften vorbei. Hal linste um den Pfeiler herum und sah Hord mit langen Schritten auf die Vorhänge hinter dem Podest zugehen. Ragnar Hakonsson dagegen, blond, bleich und mit saurer Miene, stieg die Treppe hinauf. Als er auf der Empore angekommen war, verschwand er durch eine der Türen.
    Dann hörte man Hord etwas rufen, worauf ein mittlerer Tumult losbrach. Bestimmt würden die Diener gleich wieder hereinkommen. Hal sah sich gehetzt nach einem geeigneten Versteck um. Unweit seines Pfeilers entdeckte er lauter größere und kleinere Vorratsfässer, von denen manche standen und andere lagen. Sie waren offenbar leer, ihr Inhalt war entweder in der Küche oder auf den Tischen gelandet. Ob man...?
    Draußen waren eilige Schritte zu hören.
    Ein Satz – und Hal war verschwunden. Das große Fass in der Mitte wackelte ein wenig, dann lag es wieder still. Der Deckel, der auf einem anderen, kleineren Fass gleich danebengelegen hatte, ruckte noch ein paarmal hin und her, dann rastete er ein.
    Zwanzig Diener kamen in die Halle geeilt. Die letzten Festvorbereitungen nahmen ihren Lauf.

    Der Nachmittag ging in den Abend über, der Abend in die Nacht. Die Halle war voller fröhlicher Feiernder. Hakon wurde lautstark gepriesen, bis das alte Dachgebälk davon widerhallte, die Männer tranken auf Hord, seinen Sohn, seinen Bruder Olaf und auf die ganze ruhmreiche Familie. Aus einem Fass in einem Winkel der Halle drang leises Schnarchen. Niemand hörte es, niemand kam in seine Nähe. Allmählich neigte sich das Fest dem Ende zu.
    Die Männer aus Hakons Haus verabschiedeten sich. Manche zogen sich in ihre Räume jenseits der großen Halle zurück, andere machten sich auf den Heimweg durch die Gassen und hinaus ins Land. Unten an der Troldmauer wurde ins Horn gestoßen, die Außentore des Hauses schlossen sich. Auch die Halle wurde abgesperrt. Ein älterer Diener legte die Riegel vor. Andere warfen Ruß auf die Kochstelle, bis die Glut nur noch rötlich glomm, schließlich suchten auch die Letzten ihre Schlafräume auf.
    Es wurde dunkel in der Halle. Die Fackeln an den Wänden waren heruntergebrannt und verströmten einen matten orangeroten Schein.
    Nur Hord und Ragnar saßen noch an der verwüsteten Tafel.
    Obwohl er viele Stunden lang hemmungslos getrunken hatte, wirkte Hord immer noch so frisch wie am Vormittag, von den leicht blutunterlaufenen Augen mal abgesehen. Er hielt einen Weinbecher in der Hand und betrachtete seinen Sohn. Auf Ragnars Gesicht hatte das Fest deutlichere Spuren hinterlassen. Im trüben Licht schimmerte es weiß wie gebleichte Schafknochen.
    Zum ersten Mal seit Stunden bewegte sich der Fassdeckel. Er hob sich ein wenig. Zwei Augen blinzelten ungeduldig darunter hervor.
    Hal hielt es in der verkrampften Haltung allmählich nicht mehr aus.
    Er hatte lange und tief geschlafen, denn in dem Fass war es wärmer gewesen als unterwegs in so manchem Wäldchen. Aber jetzt, nach dem Aufwachen, tat ihm alles weh, ja er hielt das Kribbeln und Piksen in seinen eingeschlafenen Gliedern kaum noch aus.Wie gern hätte er sich anders hingehockt, aber er hatte Angst, dabei Lärm zu verursachen.
    »Ich glaub, sie will mich nicht,Vater«, sagte Ragnar. Hord schnaubte wie ein Stier. »Wollte mich deine Mutter vielleicht heiraten? Unsere Väter haben das bei einem einzigen Treffen ausgehandelt und kurz darauf kitzelte mein Bart sie schon im Gesicht. Ob es ihr Herzenswunsch war? Wer weiß? Sie hat sich dran gewöhnt wie alle Frauen und wurde eine hervorragende, mit allen Wassern gewaschene Schiedsherrin. Sei nicht so ein Schlappschwanz, Junge! Es geht hier nicht ums Wollen ! Weder bei ihr noch bei dir!«
    »Weiß ich«, erwiderte Ragnar gereizt. »Aber trotzdem...«
    »Wenn ich eines schönen Tages tot bin«, unterbrach ihn Hord, »bist du hier das Familienoberhaupt. Wenn du die Kleine zur Frau nimmst, stehst du gleich zwei Familien vor. So eine Partie schlägt man nicht einfach aus.« Er schwenkte den Becher herum und blickte in den schwappenden Inhalt. »Alles

Weitere Kostenlose Bücher