Valley - Tal der Wächter
das in abgerissene Kläfflaute umschlug, als die Hunde wieder vorwärtsstürmten. Hal hob die gefalteten Hände in einer Geste, die entschlossen, männlich und zugleich ansatzweise bittend wirken sollte. »Das will ich dir alles liebend gern erzählen, Aud, bloß nicht gerade jetzt...«
Schon kam die Meute den Hang heruntergehetzt, schlitternd, sich überschlagend, hechelnd, die frische Witterung in den Nüstern.
Aud kratzte sich das Kinn. »Hm...«
Die vordersten Hunde brachen durchs Farnkraut.
»Na schön. Sitz auf.« Sie streckte ihm die Hand entgegen und half ihm in den Sattel. Ein Ruck an den Zügeln und das Pferd preschte davon. Im selben Augenblick sprangen die ersten Hunde auf den Waldweg.
Die Nacht brach an. Der Mond ging auf und tauchte die vorbeifliegenden Bäume in seinen sanften Schein. Hals Wange stieß im Takt der Hufschläge gegen Auds Schulter, ihr Haar peitschte ihm ins Gesicht. Er ließ es sich gern gefallen.
Schließlich trabte das Pferd langsamer. Hal hob den Blick. Vor ihnen erhob sich, von dunklen Bäumen umstanden, ein Hof – kleiner als der der Hakonssons, aber größer, so kam es Hal jedenfalls vor, als der der Svenssons, wenn auch ohne Troldmauer ringsherum. Mehrere Gebäude, in deren Fenstern einladende Lichter brannten, umstanden eine prachtvolle Halle mit hell erleuchteten Fenstern über die ganze Breite. Schwache Essensdüfte stiegen Hal in die Nase und bei dem Gedanken an Federbetten, ein warmes Bad und eine üppig gedeckte Festtafel schlug sein Herz höher.
Aber da bog Aud auf einen holprigen Weg ab, der an einer heruntergekommenen Scheune endete. Die Türen standen sperrangelweit offen und überließen das Gebäude der Witterung. Dem Pferd widerstrebte es offensichtlich hineinzugehen, aber es musste sich fügen. Drinnen miefte es nach allerlei Stallgerüchen.
»Wo sind wir hier?«, fragte Hal vorsichtig.
»Im alten Heuschober.«
»Wirklich sehr nett, dass du mir den zeigen willst, aber das hat doch Zeit bis morgen.Wollen wir nicht lieber in der Halle zu Abend essen?«
»Das hier ist heute Nacht deine Halle«, erwiderte Aud. »Glaubst du im Ernst, mein Vater empfängt einen dahergelaufenen Bettler mit offenen Armen?«
Hal war empört. »Hat man bei euch noch nie etwas von Mildtätigkeit und Nächstenliebe gehört?«
»O doch. Aber manchmal sind auch Argwohn und Abscheu angebracht. Den letzten Landstreicher, der hier vorbeikam, hat mein Vater aufs Mühlrad binden lassen, und sogar der hätte entsetzt vor dir Reißaus genommen. Selbst wenn mein Vater mal eine Ausnahme machte, würde er dich ganz bestimmt lang und breit ausfragen wollen. Zum Beispiel, was es mit dem Silbergürtel auf sich hat, den du unter der Jacke trägst.«
»Mit welchem Silbergürtel?«
Aud schüttelte den Kopf. »Oje.Wenn ich dich wieder zu den Hakonssons bringen soll, brauchst du es nur zu sagen. Ich kenne den Weg.«
»Ach, den Gürtel meinst du! Über den können wir uns morgen unterhalten.«
»Gut. Am besten passt du auf, dass deine Füße nicht auf den Boden kommen, damit du keine Spuren hinterlässt, bloß vorsichtshalber. Irgendwo muss die Luke zum Heuboden sein. Taste mal über die Decke. Da du so bedauernswert klein geraten bist, musst du dich wahrscheinlich auf den Sattel stellen.«
Sie lenkte das Pferd langsam in die Mitte der Scheune. Hal stand schwankend und mit zusammengebissenen Zähnen im Sattel und stützte sich mit einer Hand auf ihre Schulter. Mit der anderen Hand tastete er so lange über die Scheunendecke, bis ihn ein dumpfer Schlag gegen die Stirn plötzlich Sternchen sehen ließ. Er stieß einen Schmerzensschrei aus und verlor beinahe das Gleichgewicht.
»Stimmt, die Luke ist gleich hinter dem niedrigen Balken.« Aud hielt ihn am Arm fest. »Hast du sie entdeckt?«
Hal richtete sich schwerfällig wieder auf und erwiderte knapp: »Glaub schon.«
»Prima. Dann kletter durch. Ich komme morgen vorbei, sobald ich kann.«
»Bringst du mir dann was zu essen mit?«
»Ich versuch’s. Jetzt mach schon. Ich bin halb verhungert und schon viel zu spät dran.Wenn ich mich nicht ranhalte, sind der gute Braten und der Wein alle.«
Hal verkniff sich eine Antwort, aber er dachte sich sein Teil. Er hob die Arme, ertastete die unsichtbare Luke und hielt sich am Rand fest. Mit letzter Kraft zog er sich hoch und durch die Öffnung auf den Heuboden. Dann ließ er sich mit zitternden, schmerzenden Armen zurücksinken und blieb völlig erschöpft liegen. Unter ihm klapperten Hufe über den
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