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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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gefroren. Er sah zu den fernen Felshängen im Norden hinauf und erkannte zwischen den obersten Fichten eine Reihe Hügelgräber. Sie schienen ihn in stummer Herausforderung anzuschauen.
    So überraschend Auds Vorschlag auch gekommen war, er beunruhigte Hal nicht so sehr, wie es vielleicht früher der Fall gewesen wäre. Nach der ersten Verblüffung waren seine Bedenken rasch verschwunden, und je länger Aud geredet hatte, desto einleuchtender waren ihm ihre Vermutungen hinsichtlich der Trolde erschienen. Einerseits riefen ihre Zweifel an den alten Geschichten in Hal Fragen wach, die schon lange in ihm schlummerten, andererseits taten die schmeichelhaften Bemerkungen über seinen Mut, die Aud ab und zu einfließen ließ, seinem angeschlagenen Selbstbewusstsein gut. Und bestimmt hatte es auch ein wenig damit zu tun, dass sie so dicht neben ihm saß und er ihre Augen im Halbdunkel funkeln sah. Aber vor allem war das Abenteuer, das sie vorschlug – so riskant und leichtsinnig es sein mochte -, genau das Richtige, um die quälende Leere zu vertreiben, die er nach seinen bisherigen Abenteuern empfand. Auds Tatendurst war ansteckend, dass sie sich ihm anvertraute, berauschend und verlockend. Die Vorstellung, die verbotenen Hügel zu erforschen, sich zu vergewissern, ob es die Trolde wirklich gab, versetzte Hal in freudige Erregung. Dieses Gefühl stand in krassem Gegensatz zu der Verzagtheit, die er beim Gedanken an die bevorstehende Heimkehr empfand.
    Als er damals zu seinem Rachefeldzug aufgebrochen war, hatte er kaum einen Gedanken an seine Rückkehr verschwendet, aber im Grunde seines Herzens hatte er gehofft, man würde ihn wie einen Helden empfangen, der eine Ruhmestat vollbracht hatte. Das war nun völlig anders, denn seit der Begegnung mit Olaf war Hal nicht mehr derselbe. Alle seine Überzeugungen hatten sich in Luft aufgelöst, er traute den Gründen, die ihn angetrieben hatten, nicht mehr. Das Einzige, was ihm blieb, war die Gewissheit, dass er für das, was er getan hatte, keine Anerkennung wollte und auch keine verdiente. Es ging niemanden etwas an, wo er gewesen und was vorgefallen war. Er würde Stillschweigen darüber bewahren, sich irgendeine Lügengeschichte ausdenken, die unvermeidlichen Strafen über sich ergehen lassen und sein alltägliches Leben wieder aufnehmen. Jedenfalls so lange, bis Aud kam.
    Oberhalb der Wasserfälle war der Herbst schon weit fortgeschritten, hier kündigte sich bereits der Winter an. Das Laub der Bäume leuchtete rot und golden, die Berghänge waren schon bis weit nach unten verschneit.Wie auf dem Hinweg verhüllten Nebelschwaden den abschüssigen Talsattel und die Grabhügel am Straßenrand. Ohne nach rechts und links zu sehen, stieß Hal seinem Pony die Fersen in die Seiten.
    Aus Snorris Fenstern fiel kein Licht, auch öffnete ihm niemand, als er anklopfte. Wahrscheinlich war der Alte irgendwo draußen auf dem Feld und buddelte mit Arnkels Messer Rüben aus. Hal seufzte schwer. Noch eine Sache, für die er sich zu Hause würde verantworten müssen.
    Seit seinem Aufbruch waren kaum vier Wochen vergangen, aber die heimischen Felder und Wiesen kamen ihm fast fremd vor.Von hier an ließ er sich Zeit und erlaubte seinem müden Reittier, im Schritt zu gehen. Außer ihm war niemand unterwegs.
    Als er das Haus erreichte, dämmerte es schon.Wie immer stand das Nordtor offen. Hal saß ab und führte das Pony an den Hütten der Arbeiter, wo schon die Abendsuppe über dem Feuer köchelte, vorbei in den kleinen Innenhof. Dabei kam es zu ersten Begegnungen – Brusi stand am Brunnen und fuhr bei seinem Anblick zusammen, Kugi streckte den Kopf aus dem Kuhstall und machte große Augen und kurz darauf hörte Hal überall in den Gassen seinen Namen. Männer und Frauen ließen ihre abendlichen Arbeiten stehen und liegen und begafften den Ankömmling, sodass, noch ehe er die Halle erreicht hatte, das ganze Haus Bescheid wusste, sogar die Ziegenhirtin Gudrun in ihrer kleinen Hütte hinter dem Misthaufen. Hal ließ sich nicht beirren. Er band das Pony im Hof an, schulterte ein letztes Mal sein Bündel und trat unter dem Vordach in die Halle, wo man bereits die Lichter angezündet hatte.
    Seine Familie saß am Tisch. Der alte Eyjolf sah ihn als Erster, worauf ihm ein erstaunter, erschrockener Ausruf entfuhr. Dann kam seine Mutter auf ihn zugeeilt und sein Vater auch. Katla, die am Feuer saß, brach in lautes Schluchzen aus, Hals Geschwister sahen aus, als wüssten sie nicht genau, ob sie sich

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