Valley - Tal der Wächter
wahrscheinlich bloß daran, dass niemand die Grenze überschreitet.«
»Richtig! Das traut sich nämlich keiner. Weil bekanntlich die Helden die Grenze gezogen haben und die uralten Gesetze immer noch gelten. Obwohl es da oben ausgezeichnetes Weideland gibt! Und wer weiß was noch... Ich werde jedes Mal stinksauer, wenn ich an Mutters Grab sitze. Unsere Familie könnte gut mehr Land gebrauchen und bei euch wird es nicht viel anders sein. Aber nein! Dann kommen ja die Trolde und fressen einen! Die Helden haben die Gesetze erlassen und damit Schluss.«
»Weißt du, was mich an den Hügelgräbern stört?«, warf Hal ein und sah ihr dabei zu, wie sie in Schlängellinien auf der gegenüberliegenden Seite des Heubodens umherging. »Der Anblick. Wie sie oben auf dem Hügelkamm aufragen. Als ob sie zwischen uns und der Sonne stehen.«
»Mir geht’s genauso! Eigentlich sollen die Gräber uns beschützen, aber mir kommt es genau wie das Gegenteil vor. Andauernd verstellen sie einem den Blick. Als ob sie uns hier im Tal einsperren wollen.«
»Dabei war das nicht immer so«, fuhr Hal fort. »Die Helden selbst sind sehr wohl dort hochgegangen und die ersten Siedler natürlich auch, denn die sind ja von jenseits der Hügel gekommen.Aber woher? Wie sind sie übers Gebirge gelangt? Wie sieht es wohl dahinter aus? Das habe ich mich schon oft gefragt. Sie sind nicht weit von unserem Haus ins Tal gekommen – behaupten jedenfalls die alten Geschichten. Wahrscheinlich erzählt man sich bei euch dasselbe von eurem Hof.«
Da drehte sich Aud um. Ihr Gesicht lag zwar im Schatten, aber er spürte trotzdem ihren forschenden Blick. »Nein«, sagte sie nachdenklich. »Das erzählt man sich bei uns nicht. Gibt es denn oberhalb von eurem Haus einen Pfad oder so etwas?«
»Keine Ahnung. Da müsste ich mal Katla fragen.« Er seufzte. »Falls die überhaupt noch ein Wort mit mir spricht, nach dem, was ich angestellt habe. Falls zu Hause überhaupt noch irgendwer mit mir spricht.«
»Na ja, du wirst schon nicht völlig vereinsamen. Denk immer dran, im Winter ziehe ich ja zu euch, damit mich nicht die Kränk erwischt. Vater legt viel Wert darauf, dass ich am Leben bleibe, bis ich endlich verheiratet bin...« Sie unterbrach sich, als sei sie mit einem Mal mit den Gedanken ganz woanders, dann schwieg sie, fast zum ersten Mal überhaupt.
»Ich weiß auch nicht, was ich von den Trolden halten soll«, ergriff Hal wieder das Wort. »Du hast schon recht, nicht alle glauben daran. Hord Hakonsson zum Beispiel nicht, denn ich habe gehört, wie er sich mit Ragnar darüber unterhalten hat. Ich ärgere mich auch, dass sich keiner traut, an den alten Gesetzen zu rütteln! Man könnte doch ruhig heute wieder Schwerter schmieden, dann könnte ein Erkundungstrupp zu den Gräbern hochsteigen und nachsehen, ob... ist was?« Aud hatte kehrtgemacht. Ihre Augen blitzten. Hal wich unwillkürlich zurück. »Was ist denn?«
»Ich hab’s!« Sie grinste ihn breit, entschlossen und herausfordernd an. Hal kam es vor, als hätte er allem, was sie gleich vorschlagen würde, längst zugestimmt. Es war ein wenig beängstigend, aber nicht unbedingt unangenehm. »Ich hab’s!«, wiederholte sie. »Wir machen’s!«
»Was denn?«
Sie setzte sich wieder zu ihm. »Du wolltest doch unbedingt den alten Helden nacheifern, Hal, nicht wahr? Jetzt hast du Gelegenheit dazu und ich mache mit. Ich behaupte, es gibt keine Trolde und hat nie welche gegeben, und du bist derselben Meinung, auch wenn du dich weigerst, es zuzugeben. Weshalb vergewissern wir uns nicht, was an den alten Geschichten dran ist? Wenn es nächsten Winter taut, gehen wir beide über die Grenze und sehen selber nach. Und hinterher ziehen wir weiter und suchen den Pfad über das Gebirge, auf dem damals die Siedler in unser Tal gekommen sind.« Als sie sein Gesicht sah, musste sie lachen. »Verstehst du denn nicht? Damit sind wir allen Ärger los! Wir brauchen uns nicht mehr mit deinem ›Hinter den Sümpfen‹ und den Heiratsplänen meines Vaters herumzuschlagen und können einfach allem entkommen. Allen Gesetzen und Regeln und Hords Einfluss noch dazu. Wir gehen über die Grenze und lassen das Tal ein für alle Mal hinter uns. Du und ich, wir beide.Was hältst du davon?«
17
Svens Haus hatte nun zwar seine neue große Halle, aber trotzdem kratzten und schnüffelten die Trolde jede Nacht um die Türen herum. Das ärgerte Sven und er ließ um das ganze Anwesen Mauern hochzuziehen. Obwohl er seine Leute unerbittlich
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