Vampir-Expreß
drang über seine Lippen. Bevor er erneut zuschlagen konnte, wuchtete ich meinen Oberkörper vor und trat gleichzeitig mit dem linken Bein voll zu. Ich erwischte den Blutsauger an der linken Hüfte. Der Vampir wurde herumgewuchtet, er verlor die Übersicht, und ich konnte mich vollends wieder in den Wagen stoßen.
Hinter mir knallte die Tür zu.
Das Geräusch hörte sich an, als hätte jemand einen Kanonenschlag abgefeuert, aber der Blutsauger dachte nicht daran, aufzugeben. Wie all seine Artgenossen kämpfte er bis zum Sieg oder zur Niederlage. Noch hatte er die Axt. Wie ein kleiner Springball hüpfte sie vor mir auf und ab, griff an, täuschte oft, und die Schneide tauchte stets gefährlich nahe vor meinem Gesicht auf.
Ich erwischte ihn wieder mit einem Tritt. Diesmal fiel er fast in den Gang. Er prallte noch gegen die Schwingtür, die Gang und Plattform voneinander trennte, schlug um sich und krallte sich am Rand der Tür fest. Dort zog er sich in die Höhe.
Von mir geschleudert, flirrte etwas Blitzendes durch die Luft. Es war der Dolch. Und er traf. Ein dumpfer Schlag entstand, als die Waffe in die Brust des Blutsaugers drang.
Noch immer hatte sich der Vampir am Rahmen festgeklammert. Er hing in einer schrägen Lage, sein Maul war aufgerissen, das Gesicht verzerrt, und es verzerrte sich noch mehr, als er die Kraft des geweihten Silbers spürte, die seinen Körper durchdrang und damit begann, ihn langsam zu zerstören.
Ich schaute zu.
Noch zwei Sekunden konnte er sich halten. Danach rutschte seine Hand nach unten und hatte kaum den Boden berührt, als sich schon die Haut auflöste und die Hand so wirkte, als wollte sie vom Gelenk fallen. Das geschah, als sie aufprallte.
Gleichzeitig verging auch das Gesicht. Aus der weißen Haut wurde ein fleckiges Muster, das eine braune Farbe annahm und wie zerknittertes Pergament wirkte. Auch das verging.
Staub rieselte zu Boden. Weiße Knochen schimmerten. Aber das bleiche Gebein konnte sich ebenfalls nicht halten. Der Vampir war zu alt, er musste seinem unheilvollen Leben, das Jahrhunderte gedauert hatte, Tribut zollen.
Der Blutsauger verging. Zurück blieben Kleidung und Staub. Ich trat auf die alten Lumpen. Widerstand spürte ich keinen. Es zerbrach auch nichts unter meinen Füßen, ein Zeichen, dass sich sämtliche Knochen aufgelöst hatten.
Die kleine Axt lag daneben. Ich hob sie auf und hängte sie wieder in die Halterung.
Nur allmählich beruhigte sich mein Herzschlag. Ich spürte auch den Schweiß auf meiner Stirn und wischte ihn mit dem Handrücken weg. Der Kampf hatte mich stark mitgenommen Ich hätte ebenso gut neben den Gleisen liegen können, und das mit eingeschlagenem Schädel. Im Zug befanden sich Vampire!
Daran gab es nun nichts mehr zu rütteln. Wenn ich davon ausging, dass jeder der fünf Särge mit einem Blutsauger belegt worden war, hatte ich es jetzt noch mit vier Untoten zu tun.
Aber was konnten die noch für ein Unheil anrichten, wenn sie an normale Menschen gerieten, die gegen sie keine Waffen besaßen!
Für mich gab es keine Frage mehr, was zu tun war. Ich musste in den Gepäckwagen und nachschauen.
Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, Dragan Bescheid zu geben, ließ es aber bleiben, denn allein konnte ich mich doch besser bewegen. Zudem hatte ich schon des Öfteren mit Vampiren zu tun gehabt und Dragan nicht. Er hätte möglicherweise völlig falsch reagiert. Wobei man ihm nicht einmal einen Vorwurf machen konnte. Die Lumpen wollte ich nicht im Zug liegen lassen, packte sie zusammen, öffnete die Tür und drückte die Kleidungsstücke durch den Spalt. Der Wind hätte sie mir fast wieder zurückgeschleudert. Ich musste noch einmal nachdrücken, dann waren sie verschwunden.
Kaum hatte ich die Tür wieder zugerammt, als ein Schaffner erschien. Ich hatte seine Schritte nicht gehört. Die Geräusche der über die Schienen rollenden Räder waren einfach zu laut gewesen. Der Mann schaute mich böse an. »Haben Sie die Tür geöffnet?« fragte er mich in gebrochenem Deutsch.
»Nein.«
»Natürlich haben Sie das.«
»Wenn ich Ihnen doch sage…«
Er drängte sich an mir vorbei und schaute genau nach, konnte aber keinen Beweis für seine These entdecken, hob die Schultern und drehte sich wieder um.
Sehr schnell verschwand er, vergaß aber nicht, mich mit bösen Blicken zu bewerfen.
Was der Kerl dachte, war mir egal. Mir kam es auf die Blutsauger an, die sich noch im Zug herumtrieben. Einer reichte schon aus, um die Passagiere
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