Vampirdämmerung / Roman
schlechthin.
»Was wird Holly sagen, wenn sie mich tot vorfindet?«
»Wer sagt, dass sie dich jemals finden wird?«, knurrte Ashe und stieß einen quiekenden Ächzlaut aus. »Du bist ein Monster!«
»Und?«
Der Boden bebte. Es war nur ein kurzes Erzittern. Die Spannung zwischen ihnen hatte die Magie des Hauses aufgeweckt.
Ashe zog und zerrte noch verbissener an Alessandros Handgelenk. »Du gewinnst nicht. Ich habe noch nie verloren!«
Sie biss ihn.
Er riss seine Hand zurück und fluchte, als er das Blut sah. »Verdammt!«
Schnell sprang Ashe auf die andere Seite vom Bett und zog einen zweiten Pflock aus ihrem Stiefel. »Tut weh, was, Arschloch? Was glaubst du, wie Holly sich gefühlt hat, als du sie gebissen hast?«
Alessandro riss der Geduldsfaden. Mit Vampirgeschwindigkeit schleuderte er ihr ein Kissen ins Gesicht. Reflexartig stieß Ashe zu, worauf eine Federwolke aufstob. Alessandro nutzte die momentane Ablenkung, um über das Bett hinwegzufliegen, Ashe von hinten zu packen und ihr einen Arm auf den Rücken zu drehen.
Ein zweites Mal erbebte das Haus, etwas stärker, so dass die Jalousien am Fenster klapperten. Bald würde es gefährlich. Die Frage war nur: Für wen von ihnen? Oder für beide?
Ashe lachte hämisch. »Du kannst mich umbringen, wenn du willst, aber das macht dich nicht zu einem lebendigen Mann. Im Leben meiner Schwester hast du nichts verloren. Du bist der Tod!«
Ihre Worte saßen. Wie tief, begriff er erst nach einer Sekunde, als sie sich ihm bis ins Mark bohrten. Er drehte Ashe den zweiten Pflock aus der Hand, ohne etwas darauf zu geben, ob er ihr wehtat oder nicht. »Ich bin immer noch besser als die Familie, die sie hat. Ich würde mein Kind nicht wegschicken und von Fremden aufziehen lassen.«
»Ich habe sie an einen Ort geschickt, wo sie vor deinesgleichen sicher ist!«
Alessandro verkniff sich eine Erwiderung. Lieber überlegte er, was er mit ihr anstellen sollte. Er hätte sie töten, sie in den Keller sperren oder sie schlicht aus dem Haus werfen können. In seinem kältesten, grausamsten Tonfall fragte er: »Was hältst du von Familienberatung?«
»Fick dich!«
Hiermit war sein Gewissen hinlänglich beruhigt, um ihr eine letzte Option anzubieten.
»Dann wüsste ich einen ganz besonderen Flecken für dich, an dem du alle Monster töten kannst, die du willst.«
»Angefressen« traf Macs Stimmung nicht einmal ansatzweise.
Er hatte eingekauft, sich bis zum Platzen vollgestopft und war, plötzlich maßlos erschöpft, auf der Couch eingeschlafen. Als er mitten am Vormittag wieder wach wurde, hätte er schwören können, dass er sich noch mehr verändert hatte. Er kam sich wie ein Ochse vor. Oder wie jemand aus
Alice im Wunderland.
Was witzig gewesen wäre, hätte es einen anderen getroffen.
Mac war nicht amüsiert.
Und das bezog sich nur auf die physische Komponente des Desasters. Parallel zu ihr machte ihn der Dämon aggressiv, wie ihm aufgefallen war, als er gezwungen gewesen war, zum zweiten Mal seine Wohnung zu verlassen, um Essen und Kleidung zu kaufen. Da hätte er beinahe einen Typen attackiert, der sich an der Fleischtheke im Supermarkt vordrängelte. Ja, Mac war richtig angefressen, und in seiner Wut schwang eine gehörige Portion Angst mit. Zeitweise musste er sich mit aller Kraft an seine Selbstbeherrschung klammern, denn der Dämon übernahm spürbar.
Er versuchte, Holly zu erreichen, doch sie war nicht zu Hause, also legte er wieder auf, ohne eine Nachricht aufs Band zu sprechen. Sein sechster Sinn sagte ihm sowieso, dass er das Problem selbst lösen musste. Oder hatte er Lor zu lange zugehört, und nun vernebelte dieser ganze Vorsehungsmüll ihm das Hirn?
Schon wieder war er hungrig. Mac stapelte sich Schinken auf ein Brötchen und fühlte sich, als würde er sein Leben vor der Kühlschranktür verbringen.
Es gab nur zwei Dinge, die ihm halbwegs Orientierung lieferten. Das eine war, dass er Constance versprochen hatte, ihren Sohn zu retten. Das zweite, dass er Antworten brauchte – und zwar eine Menge. Er war wild entschlossen, seinen Verstand nicht erlahmen zu lassen, bloß weil sein Körper in den fünften Gang geschaltet hatte. Der Ausrutscher bei Lor war ihm eine Warnung gewesen.
Mac biss in das Sandwich und kaute, während er sich ein zweites Brötchen aufschnitt und butterte. Schinken oder Roastbeef? Wieso nicht beides?
Sein Plan war simpel: Sylvius befreien; Atreus verhören. Danach würde er herausfinden, worauf Lor hinausgewollt hatte.
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