Vampire Academy 03 ● Schattenträume
zugelaufen kamen. „Alles ist vorüber.”
„Es war ein Initiationsritual”, erklärte sie. „Nun, sozusagen. Sie haben mich vor einigen Tagen gebeten, mich ihnen anzuschließen, und ich habe abgelehnt. Aber heute haben sie mich wieder angesprochen und behauptet, sie wüssten etwas Wichtiges über Christian und Adrian. Es ging mir langsam unter die Haut, also.... also habe ich ihnen schließlich gesagt, ich würde zu einer ihrer Zusammenkünfte kommen, dass ich aber nichts über Zwang wüsste. Das war allerdings nur vorgetäuscht. Ich wollte lediglich wissen, was sie wussten.”
Sie bewegte den Kopf kaum, aber irgendetwas musste Jesse widerfahren sein. Seine Augen wurden noch größer, während er weiterhin lautlos schrie. „Obwohl ich technisch gesehen noch gar nicht zugestimmt hatte, haben sie mich ihrem Initiationsritual unterzogen. Sie wollten wissen, wie viel ich wirklich ausrichten konnte. Es ist eine Möglichkeit zu testen, wie stark jemand in Zwang ist. Man foltert ihn, bis er es nicht mehr erträgt, und dann, in der Hitze des Gefechts, schlägt jeder um sich und versucht, die Angreifer zu zwingen aufzuhören. Wenn das Opfer auch nur die geringste Spur von Zwang zuwege bringt, ist der Betreffende in der Gruppe.” Bedächtig musterte sie Jesse. Er schien in seiner eigenen Welt zu sein, und es war eine sehr, sehr üble Welt. „Ich vermute, dies macht mich zu ihrer Präsidentin, hm?”
„Hör auf damit”, sagte ich. Das Gefühl dieser verzerrten Magie verursachte mir Übelkeit. Sie und Adrian hatten in der Vergangenheit schon so etwas erwähnt, diese Vorstellung, Leute dazu zu bringen, Dinge zu sehen, die nicht da waren. Sie hatten es scherzhaft Superzwang genannt - es war grauenhaft. „Dies ist nicht die Art, wie Geist benutzt werden sollte. Das bist nicht du. Es ist falsch.”
Sie atmete schwer, Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. „Ich kann nicht loslassen”, sagte sie.
„Doch, du kannst”, erwiderte ich und berührte sie am Arm. „Gib es mir.” Sie wandte sich kurz von Jesse ab und sah mich erstaunt an, bevor sie ihren Blick wieder auf ihn richtete.
„Was? Du kannst keine Magie benutzen.” Ich konzentrierte mich mit aller Macht auf das Band, auf ihren Geist. Ich konnte zwar die Magie nicht direkt übernehmen, aber ich konnte doch die Dunkelheit übernehmen, die sie mit sich brachte.
Ich begriff, dass ich genau das jetzt schon seit einiger Zeit tat. Wann immer ich mir Sorgen gemacht und mir gewünscht hatte, sie würde sich beruhigen und gegen dunkle Gefühle ankämpfen, hatte sie das getan — weil ich ihr alles abnahm. Ich saugte es in mich hinein, geradeso, wie Anna es für den Heiligen Vladimir getan hatte. Es war das, was Adrian gesehen hatte, wenn die Dunkelheit von ihrer Aura in meine gesprungen war. Und dies — dieser Missbrauch von Geist, seine Benutzung, um mit boshafter Absicht einem anderen zu schaden, und ihn nicht zur Selbstverteidigung zu verwenden - bescherte ihr die schlimmsten Nebenwirkungen überhaupt. Es war korrumpierend und falsch, ich konnte es ihr nicht gestatten. Alle Gedanken an meinen eigenen Wahnsinn oder Zorn waren in diesem Augenblick vollkommen irrelevant.
„Nein”, stimmte ich ihr zu. „Das kann ich nicht. Aber du kannst mich benutzen, um es loszulassen. Konzentrier dich auf mich. Lass alles los. Es ist falsch. Du willst es nicht.”
Mit großen, verzweifelten Augen sah sie mich wieder an. Selbst ohne den direkten Blickkontakt war sie immer noch in der Lage, Jesse zu foltern. Ich konnte sowohl sehen als auch fühlen, welchen Kampf sie da ausfocht. Er hatte ihr so sehr wehgetan - sie wollte, dass er dafür bezahlte. Er musste dafür bezahlen. Und doch wusste sie gleichzeitig, dass ich recht hatte. Aber es war hart. Sehr hart für sie, loszulassen.... Plötzlich verschwand das Brennen dieser schwarzen Magie aus dem Band, zusammen mit dem Übelkeit erregenden Gefühl. Etwas traf mich wie ein Windstoß ins Gesicht, und ich taumelte rückwärts.
Dann schauderte ich, als mir ein merkwürdiges Gefühl den Magen zusammenkrampfte. Es war wie Funken, wie eine Spirale aus Elektrizität, die in mir brannte. Dann war es fort. Jesse fiel auf die Knie, befreit von dem Albtraum.
Lissa sank mit sichtlicher Erleichterung in sich zusammen. Sie hatte zwar immer noch Angst, und was geschehen war, quälte sie nach wie vor, aber sie wurde nicht länger von diesem schrecklichen, zerstörerischen Zorn verzehrt, der sie dazu getrieben hatte, Jesse zu bestrafen.
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