Vampire Academy 03 ● Schattenträume
Dieser Drang war verschwunden.
Das einzige Problem war, dass ich ihn jetzt in mir hatte. Ich drehte mich zu Jesse um, und es war, als existierte außer ihm nichts anderes im Universum. Er hatte in der Vergangenheit versucht, mich zu ruinieren. Er hatte Lissa gefoltert und so viele andere verletzt.
Es war einfach inakzeptabel. Ich stürzte mich auf ihn. Seine Augen hatten nur einen Moment Zeit, sich vor Entsetzen zu weiten, bevor ihn meine Faust im Gesicht traf. Sein Kopf ruckte zurück, das Blut schoss ihm aus der Nase. Ich hörte Lissa schreien, dass ich aufhören solle, aber ich konnte nicht. Er musste für das, was er ihr angetan hatte, bezahlen.
Ich packte ihn an den Schultern und stieß ihn hart zu Boden. Auch er schrie jetzt - bettelte -, ich möge aufhören. Als ich ihn abermals schlug, hielt er den Mund. Ich spürte, dass Lissa an mir zerrte, dass sie versuchte, mich wegzuziehen. Aber sie war nicht stark genug. Ich schlug ihn immer wieder.
Da war keine Spur des strategischen, präzisen Kämpfens, das ich zuvor gegen ihn und seine Freunde oder sogar gegen Dimitri eingesetzt hatte. Dies war unfokussiert und primitiv. Dies war ich, die von dem Wahnsinn beherrscht wurde, den ich von Lissa genommen hatte.
Dann riss mich ein anderes Paar Hände weg. Diese Hände waren stärker, Dhampir-Hände, bepackt mit Muskeln, die sich jemand durch jahrelanges Training verdient hatte. Es war Eddie. Ich wehrte mich gegen seinen Griff. Wir waren einander sogar ziemlich ebenbürtig, aber er war schwerer als ich.
„Lass mich los!”, schrie ich.
Zu meinem absoluten und abgrundtiefen Entsetzen kniete Lissa jetzt neben Jesse und musterte ihn voller Sorge. Das ergab keinen Sinn. Wie konnte sie das tun? Nach dem, was er getan hatte? Ich sah Mitgefühl in ihrem Gesicht, und einen Moment später erhellte das Brennen ihrer heilenden Magie unser Band, während sie ihm einige seiner schlimmsten Verletzungen nahm.
„Nein!”, schrie ich und stemmte mich gegen Eddies Griff. „Das darfst du nicht!” Das war der Moment, in dem andere Wächter auftauchten, Dimitri und Celeste an der Spitze. Christian und Adrian waren nirgendwo zu sehen; sie hatten mit den anderen wahrscheinlich nicht Schritt halten können.
Organisiertes Chaos folgte. Jene Mitglieder der Gesellschaft, die zurückgeblieben waren, wurden weggeführt, um sie zu befragen. Auch Lissa brachte man weg, um ihre Verletzungen zu behandeln. Ein Teil von mir, der in all diesen blutrünstigen Gefühlen begraben lag, wollte ihr schon folgen, aber etwas anderes hatte meine Aufmerksamkeit erregt: Sie brachten auch Jesse zur medizinischen Behandlung fort.
Eddie hielt mich immer noch fest, und trotz meines Flehens und meiner Gegenwehr ließ sein Griff keinen Moment nach. Die meisten der Erwachsenen waren zu beschäftigt mit den anderen, um auf mich zu achten. Aber sie bemerkten es durchaus, als ich wieder zu schreien begann.
„Sie dürfen ihn nicht gehen lassen! Sie dürfen ihn nicht gehen lassen!”
„Rose, beruhigen Sie sich”, sagte Alberta milde. Wie konnte sie nur nicht begreifen, was hier vorging? „Es ist vorbei.”
„Es ist nicht vorbei! Nicht bis ich ihm die Hände um den Hals lege und das Leben aus ihm herauspresse!”
Alberta und einige der anderen schienen jetzt zu begreifen, dass hier etwas Ernstes geschah - aber sie glaubten offensichtlich nicht, dass es etwas mit Jesse zu tun hatte. Sie sahen mich alle mit diesem Rose-ist-verrückt-Blick an, der mir in den letzten Tagen schon so vertraut geworden war.
„Bringen Sie sie weg von hier und sehen Sie zu, dass sie sich wäscht, und beruhigen Sie sie.” Sie gab keine weiteren Anweisungen, aber irgendwie war klar, dass Dimitri derjenige sein würde, der sich um mich kümmerte. Er kam herbei und übernahm mich von Eddie. Während des kurzen Wechsels versuchte ich, mich loszureißen, aber Dimitri war zu schnell und auch zu stark. Er packte mich am Arm und zog mich weg.
„Wir können es einfach oder schwierig machen”, erklärte Dimitri, als wir durch den Wald gingen. „Ich werde Ihnen auf keinen Fall erlauben, hinter Jesse herzulaufen. Außerdem ist er auf der Krankenstation, also würden Sie nicht einmal in seine Nähe kommen. Wenn Sie das akzeptieren können, werde ich Sie loslassen. Wenn Sie wegrennen, wissen Sie, dass ich Sie nur wieder festhalten werde.”
Ich wog meine Möglichkeiten ab. Das Verlangen, Jesse leiden zu lassen, pulsierte noch immer in meinem Blut, aber Dimitri hatte recht. Für den
Weitere Kostenlose Bücher