Vampire Academy 03 ● Schattenträume
einfach zu wenig Zeit. Ich versuche zu entscheiden, was ich anziehen soll.”
Ihr Koffer lag bereits geöffnet auf dem Bett, und etliche Dinge hingen im Kleiderschrank. Im Gegensatz zu mir hatte sie sich für jeden Anlass vorbereitet, mochte er nun formeller oder zwangloser Natur sein. Ich legte mich aufs Sofa. Ihres war aus plüschigem Samt, nicht aus Leder.
„Zieh die Batikbluse und die schwarzen Hosen an”, riet ich ihr.
„Kein Kleid.”
„Warum kein Kleid?”
„Weil du doch nicht so aussehen willst, als kämest du auf den Knien angerutscht.”
„Sie ist die Königin, Rose. Wenn man sich gut anzieht, erweist man ihr Respekt, man rutscht nicht auf den Knien.”
„Wenn du es sagst.” Aber Lissa trug dennoch die Dinge, die ich ihr vorgeschlagen hatte.
Während sie sich fertig machte, unterhielt sie sich mit mir, und ich sah voller Neid zu, während sie sich schminkte. Mir war gar nicht klar gewesen, wie sehr ich selbst Kosmetik vermisste. Als sie und ich unter Menschen gelebt hatten, hatte ich mich jeden Tag sorgfältig zurechtgemacht. Jetzt schien dafür niemals genug Zeit zu sein - und meist auch kein Anlass zu bestehen. Ich steckte ständig in irgendeiner Rauferei, die mir ohnehin jedes Make-up ruiniert hätte. Bestenfalls konnte ich mir das Gesicht mit Feuchtigkeitscreme einreiben. Morgens dachte ich dann immer, ich hätte zu viel davon genommen - es fühlte sich wie eine Maske an. Doch wenn ich mich der Kälte oder anderen unfreundlichen Bedingungen stellte, war ich immer überrascht zu sehen, dass meine Haut die ganze Feuchtigkeit aufgesaugt hatte.
Ein leiser Stich des Bedauerns durchzuckte mich bei dem Gedanken, dass ich für den Rest meines Lebens nur selten die Gelegenheit haben würde, das zu tun. Lissa würde den größten Teil ihrer Tage in eleganter Kleidung verbringen. Niemand würde mich bemerken. Es war seltsam, wenn man bedachte, dass ich bis zum vergangenen Jahr immer diejenige gewesen war, die stets bemerkt wurde.
„Was denkst du, warum sie mich sehen will?”, fragte Lissa.
„Vielleicht um dir zu erklären, warum wir hier sind.”
„Vielleicht.”
Trotz ihres ruhigen Äußeren war Lissa von Unbehagen erfüllt.
Sie hatte sich noch immer nicht ganz von der brutalen Demütigung der Königin im vergangenen Herbst erholt. Plötzlich erschienen mir meine eigene schäbige Eifersucht und Trübsal dumm, wenn ich sie mit dem verglich, was Lissa durchmachen musste. Im Geist gab ich mir eine Ohrfeige und rief mir ins Gedächtnis, dass ich nicht nur ihre unsichtbare Wächterin war. Außerdem war ich ihre beste Freundin, nur hatten wir in letzter Zeit nicht allzu viel miteinander geredet.
„Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst, Liss. Du hast nichts falsch gemacht. Wirklich: Du hast alles richtig gemacht. Deine Zensuren sind perfekt. Dein Benehmen ist perfekt. Erinnerst du dich an all die Leute, die du während des Skiurlaubs beeindruckt hast? Dieses Miststück hat nichts, das sie an dir aussetzen könnte.”
„Du solltest nicht so reden”, sagte Lissa sofort. Sie trug Mascara auf, musterte ihre Wimpern und trug dann noch eine weitere Schicht auf.
„Ich nenne sie nur so, wie sie mir erscheint. Wenn sie dich piesackt, so wird es lediglich daran liegen, dass sie Angst vor dir hat.”
Lissa lachte. „Warum sollte sie Angst vor mir haben?”
„Weil Leute sich zu dir hingezogen fühlen, und Leute wie sie schätzen es nicht, wenn andere ihnen die Aufmerksamkeit stehlen.” Ich war selbst ein wenig erstaunt darüber, wie weise ich klang. „Außerdem bist du die letzte Dragomir. Du wirst immer im Rampenlicht stehen. Wer ist sie schon? Nur eine von vielen Ivashkovs. Es gibt tonnenweise Ivashkovs. Wahrscheinlich weil alle Männer wie Adrian sind und außereheliche Kinder haben.”
„Adrian hat keine Kinder.”
„Keine, von denen wir wissen”, erwiderte ich. Sie kicherte und trat vom Spiegel weg, zufrieden mit ihrem Gesicht.
„Warum bist du immer so gemein zu Adrian?”
Ich sah sie mit gespielter Überraschung an. „Jetzt trittst du für Adrian ein? Was ist nur aus deiner Warnung geworden, dass ich mich von ihm fernhalten sollte? Als ich das erste Mal mit ihm geredet habe - und das war nicht mal meine eigene Entscheidung -, hast du mir fast den Kopf abgerissen.”
Sie nahm eine dünne goldene Kette aus ihrem Koffer und versuchte, sie um ihren Hals zu schließen. „Hm, ja.... damals kannte ich ihn eigentlich noch gar nicht. Er ist nicht so übel. Und es war.... ich
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