Vampire Academy 03 ● Schattenträume
dass sie nicht ganz ohne Grund geschahen.”
Lissas überraschter Gesichtsausdruck brachte die Königin zum Lachen. Aber es war nicht viel Wärme oder Humor in diesem Lachen. „Ja, ja.... ich weiß alles über Ihre Kräfte, und natürlich weiß ich auch, was mit Victor vorgefallen ist. Adrian hat mich ebenfalls über das Thema Geist informiert. Es ist so seltsam. Sagen Sie mir.... können Sie....” Sie blickte zu einem nahen Tisch hinüber. Darauf stand ein Blumentopf, in dem dunkelgrüne Triebe aus der Erde ragten. Irgendeine Pflanze mit Wurzelknollen, die hier im Zimmer gehalten wurde. Wie ihre Freilandverwandten wartete sie auf den Frühling.
Lissa zögerte. Es war immer noch seltsam für sie, ihre Kräfte vor anderen zu benutzen. Aber Tatjana beobachtete sie erwartungsvoll.
Nach nur wenigen weiteren Sekunden beugte sich Lissa vor und berührte die Triebe. Die Stängel schossen durch die Erde und wurden größer - fast dreißig Zentimeter hoch. Riesige Schoten bildeten sich an den Rändern, während die Pflanze wuchs, und brachen auf, um duftende, weiße Blüten preiszugeben. Osterlilien. Lissa zog die Hand zurück.
Tatjanas Züge spiegelten ihr Staunen wider. Sie murmelte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie war nicht in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen, hatte sich aber dafür entschieden, hier Hof zu halten. Sie sprach ohne Akzent, doch genau wie in Dimitris Fall verfiel sie in Augenblicken der Überraschung in ihre Muttersprache. Binnen Sekunden hatte sie ihre Ehrfurcht gebietende Maske wieder aufgesetzt.
„Hm. Interessant”, bemerkte sie. So viel zum Thema Untertreibung.
„Es könnte sehr nützlich sein”, sagte Priscilla. „Vasilisa und Adrian dürften nicht die beiden Einzigen mit dieser Gabe sein. Wenn wir andere finden könnten, würden wir so viel lernen. Das Heilen selbst ist eine besondere Gabe, ganz zu schweigen von allem anderen, was sie heraufbeschwören können. Stellt Euch nur vor, was wir imstande wären damit zu tun.”
Lissa wurde optimistisch. Eine Zeit lang hatte sie sich förmlich überschlagen, um andere Moroi zu finden, die so waren wie sie. Adrian war der Einzige gewesen, den sie entdeckt hatte, und das war ein reiner Glücksfall gewesen. Wenn die Königin und der Rat der Moroi eine solche Suche veranlassten, konnte es gut sein, dass viel mehr Geistbenutzer gefunden würden. Doch etwas an Priscillas Worten machte Lissa zu schaffen.
„Ich bitte um Vergebung, Prinzessin Voda.... ich bin mir nicht sicher, ob wir so erpicht darauf sein sollten, meine Heilkräfte - oder die anderer - in dem Umfang einzusetzen, wie es Ihnen vielleicht vorschwebt.”
„Warum denn nicht?”, fragte Tatjana. „Wenn ich recht verstehe, können Sie fast alles heilen.”
„Ich kann erwiderte ”, Lissa langsam. „Und ich will es auch. Ich bitte nur, mich nicht falsch zu verstehen - ich werde bestimmt einigen Leuten helfen. Aber ich weiß, dass wir dabei anderen Leuten wie Victor begegnen würden, die diese Gabe ausnutzen wollen. Und nach einer Weile.... ich meine, wie wählt man aus? Wer darf leben? Es gehört zum Leben, dass.... man irgendwann stirbt. Meine Kräfte sind nichts, das es bei Bedarf auf Rezept geben kann, und ich habe wirklich Angst, dass man sie nur für, äh m , eine bestimmte Art von Leuten benutzen würde. Genau wie die Wächter.”
Eine leichte Spannung baute sich im Raum auf. Was Lissa angedeutet hatte, wurde in der Öffentlichkeit kaum je erwähnt. „Wovon reden Sie da?”, fragte Tatjana mit schmalen Augen. Ich konnte erkennen, dass sie es bereits wusste.
Lissa hatte Angst, ihre nächsten Worte auszusprechen, aber sie tat es dennoch. „Alle wissen, dass es eine gewisse, ähm, Methode gibt, nach der Wächter verteilt werden. Nur die Elite bekommt sie. Die königlichen Familien. Reiche Leute. Mächtige Leute.” Eine Kühle senkte sich über den Raum. Tatjanas Mund bildete nur eine gerade Linie. Einige Sekunden lang blieb sie still, und ich hatte das Gefühl, dass alle anderen den Atem anhielten. Ich tat es gewiss.
„Sie denken nicht, dass die Mitglieder unserer königlichen Familien besonderen Schutz verdienen?”, fragte sie schließlich. „Sie denken nicht, dass Sie ihn verdienen - die Letzte der Dragomirs?”
„Ich denke, es ist wichtig, für die Sicherheit unserer Führungsgestalten zu sorgen, ja. Aber ich denke auch, dass wir manchmal innehalten und uns überlegen müssen, was wir tun. Es könnte an der Zeit sein, die Art, wie wir die
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