Vampire Academy 03 ● Schattenträume
auch nur daran, dass ich ihn kannte —, wie sehr es Dimitri quälte zu lügen. Oh, er wollte uns schützen - vor allem mich wollte er schützen -, was der Grund dafür war, dass er log. Doch es tötete ein Stück von ihm, dort oben unter Eid auszusagen und zu lügen. Dimitri war nicht vollkommen, wie sehr ich das an manchen Tagen auch glauben mochte, aber er versuchte immer, aufrichtig zu sein. Heute konnte er es nicht.
„Mr Dashkov arbeitet mit Erdmagie, und einige Moroi, die diese Macht benutzen und einen starken Zugriff auf Zwang haben, können unsere niederen Instinkte damit beeinflussen”, fuhr Dimitri fort. „In diesem Fall hat er ihre Wut und Gewaltbereitschaft durch einen Gegenstand beeinflusst.”
Zu meiner Linken hörte ich ein Geräusch — als ersticke jemand an seinem eigenen Gelächter. Die Richterin, eine ältliche, aber grimmige Moroi, funkelte wütend in die Runde. „Mr Dashkov, bitte respektieren Sie die Würde dieses Gerichtes.”
Victor, der immer noch lächelte, wedelte entschuldigend mit den Händen. „Es tut mir furchtbar leid, Euer Ehren und Euer Majestät. Etwas an Wächter Belikovs Aussage hat mich erheitert, das ist alles. Es wird nicht wieder vorkommen.”
Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass der Schlag fiel. Es passierte aber nicht. Dimitri beendete seine Aussage, dann wurde Christian aufgerufen. Seine Rolle war kurz. Er war bei Lissa gewesen, als sie entführt worden war, und man hatte ihn bewusstlos geschlagen.
Sein Beitrag bestand im Wesentlichen darin, dass er einige von Victors Wächtern als die Entführer identifizieren konnte. Sobald Christian wieder Platz nahm, war die Reihe an mir.
Ich ging nach oben und hoffte, dass ich vor all diesen Leuten - und vor Victor - ruhig wirkte. Tatsächlich gab ich mir die größte Mühe, Victor überhaupt nicht anzusehen. Als ich meinen Namen nannte und schwor, die Wahrheit zu sagen, spürte ich plötzlich die volle Wucht dessen, was Dimitri erlebt haben musste. Ich stand vor all diesen Leuten und schwor, aufrichtig zu sein, aber ich würde sofort lügen, wenn es um den Lustzauber ging.
Meine Version war ziemlich klar. Ich hatte Einzelheiten aus der Zeit vor der Nacht der Entführung zu bieten, und sprach zum Beispiel über die krankhaften Fallen, die Victor gestellt hatte, um Lissas Macht zu prüfen. Davon abgesehen stimmte meine Geschichte mit der von Dimitri und den anderen Wächtern überein.
Früher hatte ich behauptet, ich könne gut lügen, und ich streifte den „Angriffszauber” mit einer solchen Mühelosigkeit, dass niemand darauf achtete. Mit Ausnahme von Victor. Obwohl ich mich standhaft weigerte, ihn anzusehen, blickte ich unwillkürlich in seine Richtung, als ich auf den Zauber zu sprechen kam. Sein Blick bohrte sich in meinen, und ein kleines Grinsen umspielte seine Lippen. Seine Selbstgefälligkeit entstammte, wie ich begriff, nicht nur seinem Wissen, dass ich log. Er kannte auch die genaue Wahrheit - und der Blick, mit dem er mich bedachte, sagte mir, dass er diese Macht über mich und Dimitri hatte, die Macht, vor all diesen Leuten alles für uns zu ruinieren - ganz gleich, womit Dimitri gedroht hatte. Die ganze Zeit über blieb ich ruhig genug, um Dimitri mit Stolz zu erfüllen, aber mir hämmerte das Herz in der B rust, als wolle es zerspringen.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, doch ich wusste, dass ich mich nur wenige Minuten im Zeugenstand befand. Ich beendete meinen Bericht und sackte vor Erleichterung darüber, dass Victor meine Lüge nicht aufgedeckt hatte, in mir zusammen. Dann war Lissa an der Reihe. Als das eigentliche Opfer des Verbrechens trug sie als Erste bisher neue Aspekte der Tathergänge bei. Alle Anwesenden waren von ihrer Geschichte gefesselt. Es war ungeheuerlich; niemand hatte jemals etwas Derartiges gehört. Außerdem begriff ich, dass Lissa, ohne sich auch nur darum zu bemühen, das Charisma benutzte, das ihr der Geist verlieh. Ich denke, es kam von demselben Ort, von dem auch der Zwang herrührte. Die Leute waren gefesselt und mitfühlend. Als Lissa die Folter beschrieb, der Victor sie unterzogen hatte, um sie dazu zu zwingen, ihn zu heilen, sah ich, wie die Gesichter im Saal vor Erschrecken bleich wurden. Selbst Tatjanas strenge Maske verrutschte ein wenig, obwohl ich nicht sagen konnte, ob der Grund dafür Mitgefühl oder lediglich simple Überraschung war.
Das Erstaunlichste war jedoch, mit welcher Ruhe Lissa es fertigbrachte, die Geschichte zu erzählen. Nach außen hin war
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