Vampire Academy 04
getötet hatte.
Ich stieß gegen die Fensterbank und blickte hinaus. Es war Nacht – nicht gut. Auch die blanke Außenmauer der Villa war nicht gerade ideal zum Klettern. Es ließ sich machen, aber das kostete Zeit. Und Zeit hatte ich keine mehr. Direkt unter dem Fenster stand irgendein dicht belaubter Busch. Ich konnte ihn nicht klar erkennen und hoffte nur, dass es kein Rosenbusch oder etwas ähnlich Spitziges war. Doch ein Sprung aus dem ersten Stock würde mich nicht umbringen. Wahrscheinlich würde es nicht einmal wehtun – jedenfalls nicht sehr.
Ich kletterte über den Sims und begegnete kurz Dimitris Blick, während sich die anderen Strigoi ihm näherten. Wieder kamen mir die Worte in den Sinn: Zögere nicht. Dimitris so wichtige Lektion. Aber es war nicht seine erste Lektion gewesen. In seiner ersten Lektion ging es darum, was ich tun sollte, wenn ich zahlenmäßig unterlegen war und keine anderen Möglichkeiten mehr hatte: Lauf weg.
Zeit für mich, endlich wegzulaufen.
Ich sprang aus dem Fenster.
26
Ich vermute, die Flüche, die aus meinem Mund kamen, als ich auf dem Boden landete, wären in jeder Sprache verständlich gewesen. Es tat weh .
Der Busch war zwar nicht besonders spitz oder dornig, aber so sehr ich meine Fantasie auch anstrengte, weich war er bestimmt auch nicht. Er dämpfte meinen Sturz zwar ein wenig, doch er verhinderte nicht, dass ich mir den Knöchel verrenkte. „Scheiße“, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich mich aufrappelte. Russland brachte mich offenbar dazu, immer wieder zu fluchen. Versuchsweise belastete ich meinen Knöchel und verspürte einen scharfen Schmerz, konnte aber dennoch auf beiden Füßen stehen. Also nur eine Verstauchung – Gott sei Dank. Der Knöchel war nicht gebrochen, und ich hatte schon Schlimmeres erlebt. Trotzdem würde er meine Flucht verlangsamen.
Ich humpelte von dem Busch weg und versuchte, meine Schritte zu beschleunigen und den Schmerz zu ignorieren. Vor mir lag dieses blöde Heckenlabyrinth, das ich neulich nachts noch so toll gefunden hatte. Der Himmel war bewölkt, aber ich glaubte ohnehin nicht, dass es mir im Mondlicht leichter gefallen wäre, meinen Weg zu finden. Auf keinen Fall würde ich mich durch dieses belaubte Chaos kämpfen. Ich würde einfach die Stelle finden, an der das Labyrinth endete, und dort hindurchgehen.
Als ich das Haus umrundete, musste ich bedauerlicherweise eine unschöne Entdeckung machen: Die Hecke war einfach überall. Sie umringte das Gut wie eine Art mittelalterlicher Burggraben. Und das Ärgerliche daran war, dass Galina diese Hecke höchstwahrscheinlich noch nicht einmal zu Verteidigungszwecken hatte anpflanzen lassen. Ihre Gründe waren vermutlich dieselben wie bei den Kristallkronleuchtern und antiken Gemälden in den Fluren: Sie fand so was cool.
Nun, es ließ sich nicht ändern. Willkürlich wählte ich irgendeine Öffnung in der Hecke und schlängelte mich durch den Irrgarten. Ich hatte weder eine Ahnung, wo ich hin, noch irgendwelche Strategien, wie ich wieder hinauskommen sollte. Überall lauerten Schatten, und ich bemerkte Sackgassen häufig erst dann, wenn ich direkt vor einem Busch stand. Die Hecke war so hoch, dass ich, nachdem ich ein kleines Stück weit in das Labyrinth eingedrungen war, den oberen Teil des Hauses nicht mehr sehen konnte. Wenn ich das Haus als Navigationspunkt gehabt hätte, wäre ich vielleicht in der Lage gewesen, mich einfach in einer geraden (oder annähernd geraden) Linie davon wegzubewegen.
Stattdessen wusste ich nicht einmal, ob ich rückwärts oder im Kreis ging oder sonst irgendwas. Einmal war ich mir allerdings ziemlich sicher, dass ich bereits zum dritten Mal an demselben Jasminspalier vorbeikam. Ich versuchte, mich an die Geschichten zu erinnern, die ich gelesen hatte, in denen die Leute aus einem Irrgarten wieder herausfanden. Was hatten sie benutzt? Brotkrümel? Garn? Ich wusste es nicht, und je mehr Zeit verging und je stärker mein Knöchel schmerzte, desto mutloser wurde ich. Ich hatte es geschafft, in meinem geschwächten Zustand einen Strigoi zu töten, konnte aber einer Handvoll Büsche nicht entkommen. Ziemlich peinlich eigentlich.
„Roza!“
Der Wind trug die Worte zu mir herüber, und ich versteifte mich. Nein. Das konnte nicht sein.
Dimitri. Er hatte überlebt.
„Roza, ich weiß, dass du da draußen bist“, rief er. „Ich kann dich riechen.“
Ich hatte das Gefühl, dass er bluffte. Er war nicht nah genug, als
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