Vampire Academy 05
Situation aus der Vogelperspektive hätte sehen können oder mit meinem Übelkeitsalarm persönlich dabei gewesen wäre, hätte ich vielleicht noch mehr davon verstanden. Aber ich beobachtete die Szene durch Lissas Augen, und die Wächter taten ihr Äußerstes, um sie von den Strigoi abzuschirmen, die, soweit es Lissa betraf, aus dem Nichts aufgetaucht waren. Die meisten der Aktionen waren für sie nur ein Nebel. Ihre Leibwächter schubsten sie herum und versuchten, sie zu beschützen, während überall weiße, rotäugige Gesichter erschienen. Sie sah alles durch einen furchterfüllten Schleier hindurch.
Aber es dauerte nicht lange, bevor wir die Ersten sterben sahen. Serena, genauso schnell und stark, wie sie es in dem Hotelzimmer gewesen war, rammte einem männlichen Strigoi sauber einen Pflock durchs Herz. Dann sprang ein weiblicher Strigoi Priscillas Wächter an und brach ihm den Hals. Lissa nahm vage Christians Arm um sie wahr, der sie gegen den SUV drückte und mit seinem eigenen Körper beschirmte. Die verbliebenen Wächter formten noch immer, so gut sie es vermochten, einen schützenden Ring, aber sie waren abgelenkt. Ihr Kreis geriet ins Stocken – und sie fielen.
Einer nach dem anderen töteten die Strigoi die Wächter. Dies lag nicht an einem Mangel an Fähigkeiten auf Seiten der Wächter. Sie waren einfach in der Minderzahl. Ein weiblicher Strigoi riss Grant mit den Zähnen die Kehle auf. Serena wurde durch einen Schlag auf den Asphalt geschleudert, landete mit dem Gesicht nach unten und regte sich nicht mehr. Und, Grauen über Grauen, die Strigoi verschonten auch die Moroi nicht. Lissa – die sich so hart gegen den SUV drückte, dass es aussah, als könne sie eins mit ihm werden – sah mit großen Augen zu, wie sich ein Strigoi schnell und effizient in Priscillas Hals verbiss und innehielt, um ihr Blut zu trinken. Die Moroi hatte nicht einmal Zeit, Überraschung zu empfinden, aber zumindest hatte sie nicht wirklich leiden müssen. Die Endorphine dämpften den Schmerz, während das Blut und das Leben aus ihrem Körper gesogen wurden.
Lissas Gefühle verwandelten sich in etwas, das über Furcht hinausging, etwas, das sich anders anfühlte als alles bisher Dagewesene. Sie stand unter Schock. Sie war benommen. Und mit kalter, harter Gewissheit war ihr klar, dass ihr Tod näher kam, und sie nahm das hin. Ihre Hand fand Christians, und sie drückte sie fest, dann drehte sie sich zu ihm um und schöpfte zumindest einen kleinen Trost aus dem Wissen, dass das Letzte, was sie im Leben sehen würde, seine schönen, kristallklaren blauen Augen waren. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen verliefen seine Gedanken in ähnlichen Bahnen. In seinen Augen lag Wärme, Wärme und Liebe und …
… ein vollkommenes Erstaunen.
Seine Augen weiteten sich und konzentrierten sich auf etwas, das sich direkt hinter Lissa befand. Im selben Moment packte jemand Lissa an der Schulter und wirbelte sie herum. Das ist es, flüsterte eine leise Stimme in ihr. Dies ist der Ort, an dem ich sterbe.
Dann verstand sie Christians Erstaunen.
Sie stand Dimitri gegenüber.
Wie ich hatte sie dieses unwirkliche Gefühl, dass es Dimitri war, und dass er es doch nicht war. So viele seiner Züge schienen dieselben zu sein … und doch hatten sich auch so manche verändert. Sie versuchte etwas zu sagen, irgendetwas, aber während sich die Worte auf ihren Lippen formten, brachte sie es nicht fertig, sie laut herauszubringen.
Plötzlich flackerte hinter ihr eine intensive Hitze auf, und ein strahlendes Licht erhellte Dimitris blasse Gesichtszüge. Weder Lissa noch ich brauchten Christian zu sehen, um zu wissen, dass er mit seiner Magie einen Feuerball heraufbeschworen hatte. Entweder der Schock, Dimitri zu sehen, oder die Angst um Lissa hatten Christian aktiv werden lassen. Dimitri blinzelte leicht in dem grellen Licht, aber dann verzerrte ein grausames Lächeln seine Lippen, und die Hand, die auf Lissas Schulter lag, rutschte ihren Hals hinauf.
„Machen Sie es aus“, befahl Dimitri. „Machen Sie es aus, oder sie stirbt.“
Endlich fand Lissa ihre Stimme wieder, auch wenn ihr die Luftzufuhr abgeschnitten wurde. „Hör nicht auf ihn“, keuchte sie. „Er wird uns trotzdem töten.“
Doch hinter ihr starb die Hitze. Schatten fielen wieder über Dimitris Gesicht. Christian würde ihr Leben nicht aufs Spiel setzen, obwohl sie recht gehabt hatte. Es schien aber kaum noch eine Rolle zu spielen.
„Tatsächlich“, sagte Dimitri mit
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