Vampire Academy 05
angenommen. Doch wenn sie überlebt hatte – und anscheinend war es so –, dann konnte ich mir im Geiste nur mit knapper Not ein Bild davon machen, wie sie mit blutigen Händen ihr Handy aus der Tasche gezerrt hatte …
Bitte, bitte, mach, dass sie lebt, dachte ich, wobei ich mir nicht sicher war, an wen ich mein Gebet eigentlich richtete.
„Kommen Sie“, sagte Hans. „Wir brauchen Sie. Es bilden sich bereits Teams.“
Das war noch eine weitere Überraschung. Ich hatte nicht erwartet, dass er mich so schnell miteinbeziehen würde. Eine neuartige Achtung vor Hans stieg in mir auf. Er mochte sich zwar wie ein Arschloch benehmen, aber er war doch ein Anführer. Wenn er einen Vorteil sah, nutzte er ihn. Mit einer einzigen schnellen Bewegung eilte er zur Tür hinaus, mehrere Wächter folgten ihm. Ich hatte Mühe, mit ihren längeren Beinen Schritt zu halten, und sah, dass Mikhail ebenfalls mitkam.
„Sie unternehmen einen Rettungsversuch“, sagte ich zu Hans. „Das ist … selten.“ Ich zögerte, die Worte auch nur auszusprechen. Gewiss wollte ich sie nicht entmutigen. Aber Moroi-Rettungen waren nicht normal. Wenn Strigoi sie ergriffen, betrachtete man sie häufig als tot. Die Rettungsaktion, die wir nach dem Angriff auf die Akademie durchgezogen hatten, war eine Merkwürdigkeit gewesen, und zwar eine, die eine Menge Überredungskunst erfordert hatte.
Hans bedachte mich mit einem schiefen Blick. „Das Gleiche gilt für die Dragomir-Prinzessin.“
Lissa war für mich kostbar und mehr wert als alles andere auf der Welt. Und für die Moroi, das begriff ich jetzt, war sie ebenfalls sehr kostbar. Die meisten von Strigoi gefangenen Moroi mochten als tot betrachtet werden, aber sie gehörte nicht zu den meisten Moroi. Sie war die Letzte ihres Geschlechts, die Letzte von einer der zwölf uralten Familien. Ihr Verlust wäre nicht nur ein Schlag für die Moroi-Kultur. Er wäre ein Zeichen, ein Omen, dass uns die Strigoi wahrhaft besiegten. Für Lissa würden die Wächter eine Rettungsmission riskieren.
Tatsächlich sah es so aus, als würden sie eine ganze Menge Dinge riskieren. Als wir bei den Garagen ankamen, wo die Wagen des Hofes standen, sah ich Unmengen weiterer Wächter eintreffen – zusammen mit Moroi. Einige von ihnen erkannte ich. Tasha Ozera war unter ihnen, und wie sie waren dort auch noch die anderen Benutzer von Feuer. Wenn wir irgendetwas gelernt hatten, dann war es dies: wie wichtig sie in einem Kampf waren. Es schien, als sollte die Kontroverse über eine Beteiligung von Moroi an Kämpfen im Augenblick ignoriert werden, und es erstaunte mich, wie schnell diese Gruppe herbeigerufen worden war. Tashas Blick begegnete meinem; ihr Gesicht war ernst und hager. Sie sagte kein Wort zu mir. Das war auch nicht notwendig.
Hans blaffte Befehle und wies die Leute den Gruppen und Wagen zu. Mit jeder Unze Selbstbeherrschung, die ich aufbringen konnte, wartete ich in seiner Nähe geduldig ab. Meine rastlose Natur weckte in mir den Wunsch, loszustürzen und zu verlangen, dass man mir sagte, was ich tun konnte. Er würde sich schon an mich wenden, versicherte ich mir selbst. Er hatte eine Rolle für mich; ich brauchte nur zu warten.
Auch was Lissa betraf, wurde meine Selbstbeherrschung auf die Probe gestellt. Nachdem Dimitri sie und Christian weggebracht hatte, hatte ich ihren Geist verlassen. Ich konnte nicht zurückkehren, zumindest noch nicht. Ich konnte es nicht ertragen, Lissa und Christian zu sehen – Dimitri zu sehen. Ich wusste, dass ich es würde tun müssen, sobald ich begann, den Wächtern Hinweise zu geben, aber für den Moment hielt ich mich noch zurück. Ich wusste, dass Lissa lebte. Das war alles, was für den Augenblick zählte.
Trotzdem, ich war so angespannt, dass ich, als mich jemand am Arm berührte, beinahe mit meinem Pflock auf ihn losgegangen wäre.
„Adrian …“, hauchte ich. „Was tust du hier?“
Er stand da und schaute auf mich herab, während er mir mit der Hand sachte über die Wange strich. Einen so ernsten, grimmigen Ausdruck hatte ich nur wenige Male auf seinem Gesicht gesehen. Wie gewöhnlich gefiel es mir nicht. Adrian war einer dieser Leute, die immer lächeln sollten.
„Sobald ich die Neuigkeiten gehört habe, wusste ich, wo du sein würdest.“
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist passiert vor … ich weiß nicht, vor zehn Minuten?“ Die Zeit wirkte verschwommen. „Wie ist es möglich, dass alle so früh Bescheid wussten?“
„Es wurde per Funk überall bei Hof
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