Vampire Academy 05
eines Zeremonienmeisters, aber ich wollte nicht protestieren und Aufmerksamkeit erregen.
„Heute Nacht ehren wir sie“, fuhr Anthony fort.
Ich zuckte zusammen, als so gut wie alle Leute um uns herum diese Worte wiederholten. Lissa und ich tauschten erschrockene Blicke. Offenbar gab es eine Litanei, die wir nicht kannten.
„Ihr Leben wurde allzu früh von uns genommen“, sprach Anthony weiter.
„Heute Nacht ehren wir sie.“
Okay, diesem Skript zu folgen war doch nicht so schwierig. Anthony sprach weiter darüber, wie schrecklich diese Tragödie wäre, und wir wiederholten dieselbe Antwort. Die ganze Idee dieser Totenwache war mir zwar immer noch unheimlich, aber Lissas Kummer durchdrang das Band und begann sich auch auf mich auszuwirken. Priscilla war immer gut zu ihr gewesen – und höflich zu mir. Grant mochte nur für kurze Zeit Lissas Wächter gewesen sein, aber er hatte sie immerhin beschützt und hatte ihr geholfen. Tatsächlich wäre Dimitri ohne Grants Arbeit für Lissa vielleicht immer noch ein Strigoi. Also traf mich langsam die Schwerkraft all dessen, und obwohl ich dachte, dass es bessere Möglichkeiten gab, um zu trauern, gefiel mir doch die Wertschätzung, die die Toten hier erfuhren.
Nach einigen weiteren Refrains winkte Anthony jemanden heran. Eine Frau mit einer glitzernden, smaragdgrünen Maske trat mit einer Fackel vor. An meiner Seite rührte sich Adrian. „Meine liebste Mutter“, murmelte er.
Und tatsächlich. Jetzt, da er mich darauf hingewiesen hatte, konnte ich Daniellas Gesichtszüge deutlich erkennen. Sie warf ihre Fackel in die Feuergrube, und aus der Grube schoss eine Stichflamme empor. Irgendjemand musste das Holz entweder mit Benzin oder mit russischem Wodka besprengt haben. Vielleicht ja auch mit beidem. Kein Wunder, dass die anderen Gäste Abstand gehalten hatten. Daniella zog sich wieder in die Menge zurück, und eine andere Frau trat mit einem Tablett voller goldener Kelche vor. Sie ging am Kreis entlang und reichte jedem einen Becher. Als sie alle verteilt hatte, erschien noch eine weitere Frau mit einem Tablett.
Während die Kelche verteilt wurden, erklärte Anthony: „Jetzt werden wir einen Trinkspruch auf die Toten ausbringen, auf dass ihre Geister weiterziehen und Frieden finden mögen.“
Unbehaglich trat ich von einem Fuß auf den anderen. Die Leute sprachen von rastlosen Geistern und von den Toten, die Frieden fanden, ohne wirklich zu wissen, was das bedeutete. Als Schattengeküsste besaß ich die Fähigkeit, die rastlosen Toten zu sehen, und ich hatte lange gebraucht, um diese Fähigkeit so unter Kontrolle zu bringen, dass ich sie nicht sah. Sie waren ja ständig um mich; ich musste mich anstrengen, sie auszublenden. Ich fragte mich, was ich jetzt sehen würde, wenn ich meine Mauern herunterließ. Würden die Geister jener, die in der Nacht von Dimitris Angriff ums Leben gekommen waren, um uns herum schweben?
Adrian schnupperte an seinem Kelch, sobald er ihn bekommen hatte, und runzelte dann finster die Stirn. Einen Moment lang stieg Panik in mir auf, bis ich an meinem eigenen Kelch roch. „Wein. Gott sei Dank“, flüsterte ich ihm zu. „Nach deinem Gesichtsausdruck dachte ich schon, es sei Blut.“ Ich erinnerte mich daran, wie sehr er Blut hasste, das nicht direkt aus der Quelle kam.
„Nein“, murmelte er zurück. „Nur ein schlechter Jahrgang.“
Als alle mit Wein versorgt waren, hob Anthony seinen Kelch mit beiden Händen über den Kopf. Im Verein mit dem Feuer hinter sich verlieh ihm diese Geste etwas beinahe Finsteres, Anderweltliches. „Wir trinken auf Priscilla Voda“, sagte er.
„Wir trinken auf Priscilla Voda“, wiederholten alle Gäste.
Er ließ den Kelch sinken und nippte daran. Die anderen folgten seinem Beispiel – na ja, alle bis auf Adrian. Er trank die Hälfte seines Weins in einem Zug, schlechter Jahrgang hin, schlechter Jahrgang her. Wieder hob Anthony seinen Kelch über den Kopf.
„Wir trinken auf James Wilkat.“
Während ich die Worte wiederholte, fiel mir ein, dass James Wilkat einer von Priscillas Wächtern gewesen war. Diese verrückte Truppe von Royals zeigte Dhampiren gegenüber also tatsächlich Respekt. Wir gingen die anderen Wächter einen nach dem anderen durch, aber ich nahm immer nur kleine Schlucke, weil ich heute Nacht einen klaren Kopf behalten wollte. Ich war mir ziemlich sicher, dass Adrian am Ende der Namensliste seine Schlucke nur vortäuschte, weil sein Kelch längst leer war.
Als Anthony alle
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