Vampire Academy 05
sie nicht auffliegen. „Und eines Tages werden wir sie auch noch lehren, wie sie dieses Haar zähmen kann.“
Emily lachte. „Ich versuche das nun schon seit fast fünfzehn Jahren. Viel Glück.“
Jills Mutter war atemberaubend. Die beiden hatten keine große Ähnlichkeit miteinander, zumindest nicht äußerlich. Emilys glänzendes Haar wirkte glatt und schwarz, ihre Augen waren dunkelblau und von langen Wimpern umkränzt. Sie bewegte sich mit gertenschlanker Anmut, ganz anders als Jill, deren Bewegungen eher von Hemmungen zeugten. Dennoch konnte ich hier und da Ähnlichkeiten ausmachen: die herzförmigen Gesichter und die Formen der Lippen. Jill war noch jung, und während sie in ihre Züge hineinwuchs, würde sie wahrscheinlich eines Tages selbst eine Herzensbrecherin sein – etwas, von dem sie im Augenblick wahrscheinlich noch nichts wusste. Hoffentlich würde auch ihr Selbstbewusstsein wachsen.
„Wo seid ihr denn zu Hause?“, fragte ich.
„Detroit“, sagte Jill und schnitt eine Grimasse.
„So übel ist es nun auch wieder nicht“, lachte ihre Mom.
„Es gibt da keine Berge. Nur Highways.“
„Ich bin dort Mitglied in einem Ballett“, erklärte Emily. „Also bleiben wir an dem Ort, wo wir die Rechnungen bezahlen können.“ Ich glaube, mich überraschte mehr die Tatsache, dass Menschen in Detroit ins Ballett gingen, als der Umstand, dass Emily eine Ballerina war. Es ergab Sinn, wenn man sie beobachtete, und tatsächlich: hochgewachsen und schlank gebaut, waren Moroi ideale Tänzer.
„He, es ist eine große Stadt“, sagte ich zu Jill. „Genieße die Aufregung, solange du kannst, bevor du in diese langweilige Gegend mitten im Nirgendwo zurückkommst.“ Natürlich waren verbotenes Kampftraining und Strigoi-Angriffe kaum langweilig zu nennen, aber ich wollte Jill trösten. „Und so lange wird es gar nicht dauern.“ Die Sommerferien der Moroi waren nicht einmal zwei Monate lang. Die Eltern waren erpicht darauf, ihre Kinder in die Sicherheit der Akademie zurückzuschicken.
„Ja, ich schätze, du hast recht“, erwiderte Jill, die aber keineswegs überzeugt klang. Wir erreichten ihren Wagen, und ich lud die Kisten in den Kofferraum.
„Ich werde dir eine E-Mail schicken, wenn ich kann“, versprach ich. „Und ich wette, Christian wird das auch tun. Vielleicht kann ich sogar Adrian dazu überreden.“
Jills Miene hellte sich auf, und ich freute mich zu sehen, dass sie wieder ganz die Alte war, aufgeregt wie eh und je. „Wirklich? Das wäre toll. Ich will alles hören, was bei Hof vorgeht. Du wirst wahrscheinlich alle möglichen coolen Dinge mit Lissa und Adrian unternehmen, und ich wette, Christian wird alle möglichen Dinge herausfinden über … ach, so über dies und das.“
Emily schien Jills lahmen Korrekturversuch nicht zu bemerken und schenkte mir stattdessen ein hübsches Lächeln. „Danke für Ihre Hilfe, Rose. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.“
„Ganz meinerseits – uff!“
Jill hatte sich mir um den Hals geworfen. „Viel Glück bei allem“, sagte sie. „Du hast überhaupt solches Glück – du wirst von jetzt an ein so großartiges Leben führen!“
Ich erwiderte die Umarmung, außerstande zu erklären, wie eifersüchtig ich auf sie war. Ihr Leben war noch immer sicher und unschuldig. Es mochte ihr ja missfallen, einen Sommer in Detroit zu verbringen, aber der Aufenthalt dort würde kurz sein, und schon bald kehrte sie in die vertraute, überschaubare Welt von St. Vladimir zurück. Sie würde sich nicht auf den Weg in das Unbekannte machen und sich seinen Gefahren widmen müssen.
Erst nachdem sie und ihre Mutter weggefahren waren, konnte ich mich dazu überwinden, auf ihre Bemerkung zu reagieren. „Ich hoffe es“, murmelte ich und dachte an das, was mir bevorstand. „Ich hoffe es.“
Meine Klassenkameraden und die ausgewählten Moroi flogen früh am nächsten Tag ab, auf dem Weg von den felsigen Bergen Montanas in die gewellten Hügel Pennsylvanias. Der Königshof war ganz so, wie ich ihn noch in Erinnerung hatte, und verströmte das gleiche imposante, altertümliche Gefühl, das St. Vladimir mit seinen turmhohen Gebäuden und seiner kunstvollen, steinernen Architektur zu vermitteln versuchte. Aber die Schule schien auch den Wunsch zu haben, die Aura von Weisheit und Fleiß zu verströmen, während der Königshof protziger wirkte. Es war, als versuchten die Gebäude selbst sicherzustellen, dass wir alle wussten, dies sei der Sitz der Macht und der
Weitere Kostenlose Bücher