Vampire Academy 05
nämlich angesichts der vor uns liegenden Abenteuer, nun, da wir frei und in der Welt waren – draußen. Ich dagegen rief mir die Sorgen ins Gedächtnis, die mich früher am Tag geplagt hatten. Wir mochten jetzt frei sein, aber die Wirklichkeit würde uns schon bald genug einholen. Die Uhr tickte. Dimitri wartete und beobachtete mich. Ich fragte mich flüchtig, ob ich nach wie vor allwöchentlich Briefe von ihm bekommen würde, jetzt, da ich die Schule verließ.
Ich lächelte Lissa an und fühlte mich irgendwie mies, dass ich ihr die gute Laune verdarb, als ich ihr erzählte, dass wir nunmehr eine sehr reale Chance hatten, Victor Dashkov aus dem Gefängnis zu holen.
3
Die nächsten Tage waren seltsam. Die anderen Novizen und ich mochten das protzigste Abschlussfest gehabt haben, aber wir waren nicht die Einzigen, die ihre Ausbildung in St. Vladimir beendeten. Die Moroi hatten ihre eigene akademische Zeremonie, und auf dem Campus wimmelte es von Besuchern. Dann, beinahe so schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden die Eltern auch wieder – und nahmen ihre Söhne und Töchter mit. Königliche Moroi brachen auf, um den Sommer mit ihren Eltern auf luxuriösen Anwesen zu verbringen – viele in der südlichen Hemisphäre, wo die Tage zu dieser Jahreszeit kürzer waren. Auch gewöhnliche Moroi reisten mit ihren Eltern ab, in bescheidenere Häuser; wahrscheinlich würden sie sich vor dem College Sommerjobs besorgen.
Da der Schulbetrieb für den Sommer fast eingestellt wurde, brachen natürlich auch alle anderen Schüler auf. Einige, die keine Familie hatten, üblicherweise Dhampire, blieben das ganze Jahr über und belegten spezielle Wahlfächer, aber sie bildeten die Minderheit. Der Campus wurde von Tag zu Tag leerer, während meine Klassenkameraden und ich auf den Tag warteten, da man uns an den Königshof brächte. Wir verabschiedeten uns voneinander, von den Moroi, die weiterzogen, oder von jüngeren Dhampiren, die schon bald in unsere Fußstapfen treten würden.
Eine Person gab es, bei der mich der Abschied traurig machte: Jill. Ich begegnete ihr ganz zufällig, als ich am Tag vor meiner Reise an den Königshof zu Lissas Wohnheim hinüberging. In Jills Begleitung befand sich eine Frau, vermutlich ihre Mutter, und beide trugen sie Kartons. Jills Miene hellte sich auf, als sie mich sah.
„Hey, Rose! Ich hab mich schon von allen anderen verabschiedet, aber dich konnte ich nicht finden“, sagte sie aufgeregt.
Ich lächelte. „Na ja, ich bin froh, dass du mich noch getroffen hast.“
Ich konnte ihr nicht erzählen, dass auch ich mich verabschiedet hatte. Ich hatte meinen letzten Tag in St. Vladimir damit verbracht, all die vertrauten Plätze aufzusuchen, beginnend mit dem Grundschulcampus, wo Lissa und ich einander im Kindergarten das erste Mal begegnet waren. Ich hatte die Flure und Ecken meiner Wohnheime erkundet, war an Lieblingsklassenzimmern vorbeigegangen und hatte sogar der Kapelle einen Besuch abgestattet. Außerdem hatte ich eine Menge Zeit an Orten verbracht, die voller bittersüßer Erinnerungen waren, wie zum Beispiel die Trainingsbereiche, wo ich Dimitri nähergekommen war. Die Bahn, auf der er mich früher gezwungen hatte, meine Runden zu laufen. Die Hütte, in der wir uns einander schließlich hingegeben hatten. Es war eine der erstaunlichsten Nächte meines Lebens gewesen, und der Gedanke daran brachte mir jedes Mal sowohl Glück als auch Schmerz.
Aber Jill brauchte nicht mit all diesen Dingen belastet zu werden. Ich wandte mich ihrer Mutter zu und wollte ihr gerade die Hand hinhalten, als mir klar wurde, dass sie sie wegen des Kartons, den sie in den Armen hielt, nicht würde schütteln können. „Ich bin Rose Hathaway. Kommen Sie, lassen Sie mich das tragen.“
Ich nahm ihr den Karton ab, bevor sie protestieren konnte, denn ich war mir sicher, dass sie es gleich tun würde. „Danke“, sagte sie angenehm überrascht. Als sich die beiden wieder in Bewegung setzten, schloss ich mich ihnen an. „Ich bin Emily Mastrano. Jill hat mir viel von Ihnen erzählt.“
„Ach ja?“, fragte ich und sah Jill mit einem neckenden Lächeln an.
„So viel nun auch wieder nicht. Nur dass ich manchmal mit dir rumlungere.“ In Jills grünen Augen lag eine schwache Warnung, und mir kam der Gedanke, dass Emily wahrscheinlich gar nicht wusste, dass ihre Tochter in ihrer Freizeit verbotene Formen von Magie übte, die gegen Strigoi gerichtet war.
„Wir haben Jill gern bei uns“, sagte ich. Ich ließ
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