Vampire Academy 05
Sicherheitspersonal mitbekam, was hier eigentlich geschah.
Ich hatte gerade in einer der Kabinen Platz genommen, als die Tür geöffnet wurde. Lissa war auf ihrem Stuhl in der Nähe von Northwoods Schreibtisch sitzen geblieben, so dass sie ihren Zwang aufrechterhalten konnte. Wir hatten ihm erklärt, ich sei die Spenderin. Ich war in der Kabine eingeschlossen, aber durch Lissas Augen sah ich die Gruppe eintreten: zwei Wächter … und Victor Dashkov.
Die gleiche Beklommenheit, die sie empfunden hatte, als sie ihn bei ihrer Verhandlung gesehen hatte, wallte in ihr auf. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Ihre Hände zitterten. Das Einzige, was sie bei der Verhandlung schließlich beruhigt hatte, war der Abschluss der ganzen Angelegenheit, also das Wissen, dass Victor für immer eingesperrt sein würde und ihr nichts mehr antun konnte.
Und jetzt standen wir kurz davor, all das zu ändern.
Mit Gewalt verdrängte Lissa die Angst aus ihren Gedanken, so dass sie Northwood weiter im Griff behalten konnte. Die Wächter neben Victor waren streng und darauf gefasst, jederzeit zu handeln, obwohl das im Grunde gar nicht nötig war. Die Krankheit, die ihm jahrelang so sehr zugesetzt hatte – die, von der Lissa ihn vorübergehend geheilt hatte – , begann wieder den Kopf zu heben. Der Mangel an Bewegung und frischer Luft schien ebenfalls seinen Tribut gefordert zu haben, und hinzu kam noch die begrenzte Menge an Blut, die den Gefangenen vermutlich zur Verfügung gestellt wurde. Die Wachen hatten ihn als eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme an den Händen gefesselt, und das schwere Gewicht der Handschellen und der Kette zog ihn so herunter, dass er beinahe nur noch schlurfte.
„Da rüber“, sagte Northwood und zeigte auf mich. „Die da.“
Die Wächter führten Victor an Lissa vorbei, er bedachte sie kaum eines zweiten Blickes. Sie benutzte doppelten Zwang: Einerseits hielt sie Northwood unter Kontrolle, andererseits sorgte sie dafür, dass Victor sie nicht erkannte, als er vorbeiging. Die Wächter drückten ihn auf einen Stuhl neben mir und traten dann zurück, wobei sie ihn jedoch nicht aus den Augen ließen. Einer von ihnen verstrickte Northwood in ein Gespräch und machte Bemerkungen über unsere Jugend und die Tatsache, dass wir neu waren. Wenn ich dies jemals wieder tun sollte, würde ich dafür sorgen, dass uns Lissas Amulette älter aussehen ließen.
Als Victor neben mir saß, beugte er sich zu mir vor und öffnete den Mund. Das Trinken war ihm so sehr zur zweiten Natur geworden und die Bewegungen immer dieselben, dass er kaum darüber nachdenken musste, was er tat. Es war, als hätte er mich noch gar nicht richtig gesehen.
Nur dass er … es jetzt tat.
Er erstarrte, seine Augen weiteten sich. Gewisse Eigenschaften kennzeichneten die königlichen Moroi-Familien, und helle, jadegrüne Augen lagen sowohl bei den Dashkovs als auch bei den Dragomirs in der Familie. Der erschöpfte, resignierte Ausdruck in seinen Augen verschwand, und die scharfe Schläue, die doch so typisch für ihn war – der gewitzte Intellekt, den ich so gut kannte –, sie waren sofort wieder da. Es erinnerte mich auf unheimliche Weise an einige der Gefangenen, an denen wir zuvor vorbeigekommen waren.
Aber er war verwirrt. Wie bei den anderen Leuten, denen wir begegnet waren, verwirrte mein Amulett seine Gedanken. Seine Sinne sagten ihm, dass ich ein Mensch war … doch die Illusion war nicht perfekt. Dann gab es da noch die Tatsache, dass Victor als jemand, der selbst ein starker Benutzer von Zwang war, relativ immun gegen den Zwang anderer schien. Und genau wie Eddie, Lissa und ich gegen die Amulette der jeweils anderen immun gewesen waren, weil wir unsere wahren Identitäten kannten, erfuhr Victor die gleiche Wirkung. Sein Verstand mochte darauf beharren, dass ich ein Mensch sei, aber seine Augen sagten ihm, ich wäre Rose Hathaway, selbst mit meiner Perücke. Und sobald sich dieses Wissen gefestigt hatte, verschwand die menschliche Illusion für seine Wahrnehmung.
Ein träges, fasziniertes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, und seine Reißzähne wurden sichtbar. „Ach herrje. Dies könnte die beste Mahlzeit werden, die ich je gehabt habe.“ Seine Stimme war kaum hörbar, überlagert vom Gespräch der anderen.
„Wenn Sie mit Ihren Zähnen auch nur in meine Nähe kommen, wird es Ihre letzte Mahlzeit sein“, murmelte ich genauso leise. „Aber wenn Sie eine Chance wollen, hier rauszukommen und die Welt wiederzusehen, werden
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