Vampire Academy 05
lang unbeholfen da. Die ganze Situation war einfach zu merkwürdig. Aber schließlich war genau sie der Grund, warum wir überhaupt gekommen waren, und nach einigen weiteren Sekunden setzten meine Freunde und ich uns zu den Brüdern an den Tisch.
„Victor …“, flüsterte Robert mit großen Augen. Robert mochte einige der typisch Dashkov’schen Gesichtszüge aufweisen, aber seine Augen waren braun, nicht grün. Er spielte mit einer Serviette herum. „Ich kann es nicht glauben … ich wollte dich schon seit so langer Zeit wiedersehen …“
Victors Stimme klang sanft, wie sie es am Telefon gewesen war, so, als spreche er zu einem Kind. „Ich weiß, Robert. Ich habe dich ja auch vermisst.“
„Wirst du denn … bleiben? Kannst du mit mir kommen und bei mir bleiben?“ Ein Teil von mir wollte schon fauchen, dass dies eine lächerliche Idee sei, aber die Verzweiflung in Roberts Stimme entfachte ein winziges Gefühl des Mitleids in mir. Ich bewahrte Stillschweigen und beobachtete einfach das Drama, das sich da vor mir entfaltete. „Ich würde dich verstecken. Es könnte ganz großartig werden. Nur wir zwei.“
Victor zögerte. Er war nicht dumm. Trotz meiner vagen Behauptungen im Flugzeug wusste er, dass die Chancen, dass ich ihn laufen ließe, praktisch nicht gegeben waren. „Ich weiß es nicht“, sagte er leise. „Ich weiß es wirklich nicht.“
Das Erscheinen des Kellners riss uns aus unserer Benommenheit, dann bestellten wir alle Drinks. Adrian nahm einen Gin Tonic und wurde nicht mal nach seinem Ausweis gefragt. Ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass er wie ein Einundzwanzigjähriger aussah, oder ob er mithilfe von Geist einfach überzeugend genug wirkte. Wie dem auch sei, ich war jedenfalls nicht gerade begeistert davon. Alkohol dämpfte das Element Geist. Wir waren in einer prekären Situation, und es wäre mir lieb gewesen, wenn er seine volle Kraft bewahrte. Natürlich spielte es jetzt wahrscheinlich keine Rolle mehr, wenn man bedachte, dass er bereits getrunken hatte.
Nachdem der Kellner gegangen war, schien Robert uns Übrige schließlich auch wahrzunehmen. Sein Blick wanderte schnell über Eddie hinweg, schärfte sich, als er Lissa und Adrian betrachtete, und verweilte dann eine lange Zeit auf mir. Ich versteifte mich etwas, weil mir diese Musterung nicht gefiel. Schließlich wandte er sich wieder an seinen Bruder.
„Wen hast du denn da mitgebracht, Victor?“ Robert verströmte noch immer eine geistesabwesende Ahnungslosigkeit, aber jetzt mischte sich doch auch ein wenig Argwohn hinein. Furcht und Paranoia. „Wer sind diese Kinder? Zwei Geistbenutzer und …“ Wieder ruhte sein Blick auf mir. Er las meine Aura. „Eine von den Schattengeküssten?“
Einen Moment lang erstaunte mich seine Verwendung dieses Ausdrucks. Dann erinnerte ich mich an das, was mir Mark, Oksanas Mann, erzählt hatte. Robert hatte früher einmal ein Band mit einem Dhampir geteilt – und dieser Dhampir war gestorben, was den Verfall von Roberts Verstand drastisch beschleunigt hatte.
„Das sind Freunde“, erklärte Victor glatt. „Freunde, die gern mit dir reden und dir einige Fragen stellen würden.“
Robert runzelte die Stirn. „Du lügst. Das kann ich gut erkennen. Und sie betrachten dich auch gar nicht als einen Freund. Sie sind eher angespannt. Sie halten Abstand von dir.“
Victor stritt die Behauptung, dass wir keine Freunde seien, nicht ab. „Nichtsdestoweniger brauchen sie deine Hilfe, und ich habe sie ihnen versprochen. Es war der Preis, den ich zahlen musste, damit sie mir erlaubten, dich zu besuchen.“
„Du hättest lieber keine Versprechen in meinem Namen geben sollen.“ Roberts Serviette war inzwischen zerfetzt. Irgendwie hätte ich ihm gern meine gegeben.
„Aber wolltest du mich denn nicht sehen?“, fragte Victor gewinnend. Sein Tonfall klang warm, sein Lächeln beinahe echt.
Robert wirkte bekümmert. Verwirrt. Ich fühlte mich einmal mehr an ein Kind erinnert und bekam allmählich Zweifel, dass dieser Mann jemals einen Strigoi verwandelt haben sollte.
Ihm wurde jetzt schon wieder eine Antwort erspart, da unsere Drinks kamen. Keiner von uns hatte die Speisekarten auch nur in die Hand genommen, sehr zur offensichtlichen Verärgerung des Kellners. Er ging, und ich schlug meine Karte auf, allerdings ohne sie wirklich zu sehen.
Dann stellte Victor uns Robert vor, und zwar so förmlich wie er es auch bei einem diplomatischen Anlass hätte tun können. Das Gefängnis hatte seinen
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