Vampire Academy 05
Lissas Verstand zu übernehmen, hatte sie ihren schattengeküssten Bruder ausgeschickt, die Schmutzarbeit zu erledigen. Mit meiner Hilfe hatte ihm Lissa einen Schlag versetzt und ihn so auf Abstand gehalten. Der Schlag war wunderschön ausgeführt worden, aber sie hatte es gehasst.
„Ich habe es geschafft, nicht wahr?“, rief sie.
„Liss, einen Treffer zu landen, das ist etwas ganz anderes, als einen Strigoi zu pfählen. Und dabei lasse ich noch die Tatsache außer Acht, dass du überhaupt nie in die Nähe eines Strigoi kommen würdest. Du denkst also, du könntest in Reichweite kommen, bevor dich ein Strigoi beißen oder dir das Genick brechen würde? Auf keinen Fall.“
„Ich werde es lernen.“ Die Entschlossenheit in ihrer Stimme und ihren Gedanken war bewundernswert, aber Wächter brauchten Jahrzehnte, um zu lernen, was wir taten – und viele wurden trotzdem getötet.
Adrian und Eddie wirkten inmitten unseres Gezänks unbehaglich, aber Victor und Robert schienen beide gleichzeitig fasziniert und erheitert zu sein. Das gefiel mir nicht. Wir waren ja nicht zu ihrer Unterhaltung hier.
Ich versuchte, das gefährliche Thema abzuwehren, indem ich mich wieder an Robert wandte. „Wenn ein Geistbenutzer einen Strigoi zurückgeholt hätte, dann wäre diese Person zu einem Schattengeküssten geworden.“ Ich wies Lissa nicht auf die offensichtliche Schlussfolgerung hin. Ein Teil von dem, was Avery in den Wahnsinn getrieben hatte (abgesehen von der normalen Benutzung des Elementes Geist), war der Umstand gewesen, dass sie mit mehr als einer Person ein Band gehabt hatte. Auf diese Weise schuf man eine sehr instabile Situation, die alle Beteiligten sehr schnell in Dunkelheit und Wahnsinn führte.
Wieder trat ein träumerischer Ausdruck in Roberts Augen, während er an mir vorbeistarrte. „Ein Band formt sich, wenn jemand stirbt – wenn seine Seele tatsächlich den Körper verlassen hat und in die Welt der Toten weitergezogen ist. Das Zurückbringen der Seele ist es, das sie zu Schattengeküssten macht. Das Mal des Todes ruht auf ihnen.“ Plötzlich sah er mich direkt an. „Genauso wie es auf Ihnen ruht.“
Ich weigerte mich, seinem Blick auszuweichen, obwohl es mich bei seinen Worten kalt überlief. „Strigoi sind aber tot. Die Rettung eines Strigoi würde bedeuten, dass seine Seele ebenfalls aus der Welt der Toten zurückgeholt würde.“
„Nein“, wandte er ein. „Ihre Seelen ziehen nicht weiter. Ihre Seelen verweilen … weder in dieser Welt noch in der nächsten. Es ist ganz falsch und unnatürlich. Es ist das, was sie zu dem macht, was sie schließlich sind. Das Töten oder die Rettung eines Strigoi holt die Seele in einen normalen Zustand zurück. Es gibt kein Band.“
„Dann besteht auch keine Gefahr“, sagte Lissa zu mir.
„Abgesehen davon, dass dich ein Strigoi töten kann“, bemerkte ich.
„Rose …“
„Wir werden dieses Gespräch später fortsetzen.“ Ich warf ihr einen harten Blick zu. Wir sahen einander für einen Moment in die Augen, dann wandte sie sich an Robert. Durch das Band spürte ich noch immer eine Verstocktheit, die mir nicht gefiel.
„Wie verzaubern Sie den Pflock?“, fragte sie ihn. „Ich bin noch dabei zu lernen.“
Einmal setzte ich dazu an, sie zu schelten, besann mich dann jedoch eines Besseren. Vielleicht irrte sich Robert ja. Vielleicht war ein mit Geist getränkter Pflock doch alles, was man brauchte, um einen Strigoi zurückzuverwandeln. Robert dachte nur, ein Geistbenutzer müsse es tun, weil er es getan hatte. Angeblich. Außerdem war es mir viel lieber, wenn sich Lissa mit dem Verzaubern beschäftigte, statt zu kämpfen. Wenn dieser Teil des Ganzen zu schwierig klang, dann würde sie die Idee vielleicht gänzlich aufgeben.
Robert sah zuerst mich an, dann Eddie. „Einer von Ihnen muss einen Pflock bei sich haben. Ich werde es Ihnen zeigen.“
„Sie können in der Öffentlichkeit aber doch keinen Pflock hervorziehen“, rief Adrian und machte damit eine auffällig kluge Bemerkung. „Es könnte auf Menschen seltsam wirken, aber trotzdem ist offenkundig, dass es sich um eine Waffe handelt.“
„Er hat recht“, sagte Eddie.
„Wir könnten nach dem Essen wieder aufs Zimmer gehen“, meinte Victor.
Er hatte diesen absolut freundlichen und leeren Ausdruck auf dem Gesicht. Ich musterte ihn und hoffte, dass meine Miene meinen Abscheu verriet. Selbst in ihrem Eifer konnte ich noch Lissas Zögern spüren. Sie war nicht gerade scharf darauf,
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