Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Dimitri mit einem leichten Stirnrunzeln. „Aber wir wissen noch nicht, wie. Noch nicht. Wir können sie doch nicht gefesselt am Straßenrand sitzen lassen; ich würde es ihnen durchaus zutrauen, dass sie sich befreien können und per Anhalter weiterfahren. Außerdem können wir sie aus naheliegenden Gründen auch nicht selbst den Wächtern übergeben.“
Ich stellte eine Tasche in den Wagen und lehnte mich an die Stoßstange. „Sydney könnte sie ausliefern.“
Dimitri nickte. „Das ist wahrscheinlich die beste Lösung – aber ich will mich nicht von ihr trennen, bevor wir unser Ziel erreicht haben.... wo auch immer es sein mag. Wir könnten ihre Hilfe noch brauchen.“
Ich seufzte. „Darum schleppen wir die beiden also mit.“
„Ich fürchte, so ist es“, erwiderte er und warf mir einen argwöhnischen Blick zu. „Weißt du, wenn sie erst einmal eingebuchtet sind, könnten sie den Behörden möglicherweise eine sehr interessante Geschichte über uns erzählen.“
„Ja.“ Daran hatte ich auch schon gedacht. „Ich würde aber sagen, das ist eher ein Problem für einen späteren Zeitpunkt. Zuerst müssen wir uns um die unmittelbaren Probleme kümmern.“
Zu meiner Überraschung lächelte Dimitri mich an. Ich hätte vielleicht irgendeine besonnene, weise Bemerkung erwartet. „Na, war das nicht immer unsere Strategie, hm?“, fragte er.
Ich erwiderte sein Lächeln, aber meines war kurzlebig und erlosch, sobald wir erst mal auf der Straße waren. Glücklicherweise war Victor nicht wie sonst zum Plaudern aufgelegt – was vermutlich daran lag, dass er infolge des Mangels an Blut immer schwächer wurde. Sonya und Robert mussten auf die gleiche Weise Nahrung aufnehmen. Das würde sich noch zu einem Problem entwickeln, wenn wir nicht bald einen Spender fänden. Aber ich wusste nicht, wie wir das anstellen sollten. Ich hatte den Eindruck, dass Sydney bislang nichts davon begriffen hatte, und das war nur gut so. Ein Mensch in einer Schar hungriger Vampire zu sein, hätte mich gewiss nervös gemacht. Sie war höchstwahrscheinlich besser dran, wenn sie da so abgeschieden von den anderen im Kofferraum saß.
Sonyas Wegbeschreibungen waren vage und sehr insidermäßig. Sie gab uns nur kurzfristig Informationen und machte uns häufig erst dann auf eine Abzweigung aufmerksam, wenn wir uns unmittelbar davor befanden. Wir hatten keine Ahnung, wohin wir fuhren oder wie lange die Fahrt dauern mochte. Sie studierte eine Karte und wies Dimitri dann an, auf der I-75 nach Norden zu fahren. Als wir fragten, wie lange unsere Fahrt dauern werde, lautete ihre Antwort: „Nicht lange. Einige Stunden. Vielleicht auch etwas mehr.“
Und mit dieser mysteriösen Erklärung lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und sagte nichts mehr. Ihr Gesicht zeigte einen gehetzten, nachdenklichen Ausdruck, und ich versuchte, mir vorzustellen, wie sie sich fühlen mochte. Noch tags zuvor war sie ein Strigoi gewesen. Verarbeitete sie weiterhin, was geschehen war? Sah sie die Gesichter ihrer Opfer vor sich, so wie Dimitri es getan hatte? Quälte sie sich mit Schuldgefühlen? Wollte sie am Ende sogar wieder zur Strigoi werden?
Ich ließ sie in Ruhe. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Therapie. Ich lehnte mich zurück und richtete mich darauf ein, Geduld zu üben. Plötzlich funkelte etwas im Band, das Kribbeln eines Bewusstseins, und ich kehrte meine Aufmerksamkeit nach innen. Lissa war erwacht. Blinzelnd betrachtete ich die Uhr am Armaturenbrett. Für Menschen war es Nachmittag. Die Moroi bei Hofe sollten inzwischen schon lange schlafen. Aber nein, irgendetwas hatte sie geweckt.
Zwei Wächter standen mit ausdruckslosem Gesicht an ihrer Tür. „Sie müssen mitkommen“, sagte einer von ihnen. „Es ist Zeit für die nächste Prüfung.“
Lissa war höchst erstaunt. Sie hatte zwar gewusst, dass die nächste Prüfung bald käme, hatte aber seit ihrer Rückkehr von der Prüfung des Durchhaltevermögens nichts Genaueres gehört. Jener Ausflug hatte ebenfalls während der Moroinacht stattgefunden, doch sie war zumindest vorgewarnt gewesen. Eddie stand ebenfalls in ihrem Zimmer; vor einigen Stunden hatte er meine Mutter als Wache abgelöst. Christian richtete sich gähnend in ihrem Bett auf. Es war zwar nicht besonders heiß hergegangen zwischen ihnen, aber Lissa hatte ihn eben gern um sich. Sich an ihren Freund zu kuscheln, während Eddie im Raum war, erschien ihr nicht so merkwürdig, wie es ihr in den Stunden erschienen war, in denen
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