Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
verheiratet ist.“
„Das ist mir völlig egal, und das weißt du auch!“ Sie krallte eine Hand in sein Hemd und zwang ihn, sie anzusehen. „Ich liebe dich. Du sollst ein Teil meines Lebens sein. Das alles ist doch völliger Unsinn. Hast du Angst? Ist es das? Hast du Angst vor der Bürde, die mein Familienname bedeutet?“
Er mied ihren Blick. „Sagen wir einfach, es ist nicht leicht, diesen Namen zu tragen.“
Sie schüttelte ihn. „Ich glaube dir nicht! Du hast doch vor gar nichts Angst! Du gibst niemals klein bei.“
„Jetzt gebe ich aber doch klein bei.“ Sanft löste er sich von ihr. „Ich liebe dich wirklich. Das ist sogar der Grund, warum ich das tue. So ist es am besten.“
„Aber du kannst nicht .... “ Lissa zeigte auf mein Grab, aber Christian ging bereits in die andere Richtung davon. „Das kannst du nicht! Sie ist fort. Wenn du auch noch fort bist, wird niemand mehr da sein .... “
Aber Christian war schon fort, verschwunden in dem Nebel, der Sekunden zuvor noch nicht da gewesen war. Lissa blieb zurück, nur mit meinem Grabstein als Gesellschaft. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie wirklich und wahrhaftig ganz allein. Sie hatte sich zwar schon allein gefühlt, als ihre Familie gestorben war, aber ich war ihr Anker gewesen, hatte ihr immer Rückendeckung gegeben und sie beschützt. Als Christian auf der Bildfläche erschienen war, hatte auch er die Einsamkeit ferngehalten und Lissas Herz mit Liebe erfüllt.
Aber jetzt .... jetzt waren wir beide fort. Ihre Familie war ebenfalls fort. Dieses Loch in ihrem Innern drohte sie zu verschlingen, und das war mehr als nur der Verlust des Bandes. Allein zu sein, ist etwas ungeheuer Schreckliches. Es gibt niemanden, zu dem man laufen kann, niemanden, dem man sich anvertrauen kann, niemanden, den es kümmert, was mit einem geschieht. Sie war im Wald allein gewesen, aber das bedeutete im Vergleich zu dem hier nichts. Gar nichts.
Sie sah sich um und wünschte, sie könnte in mein Grab sinken und ihren Qualen ein Ende bereiten. Nein .... Augenblick mal. Sie konnte alldem doch wirklich ein Ende machen. Sagen Sie: „Aufhören“, hatte die alte Frau erklärt. Mehr bedurfte es doch gar nicht, um diesem Schmerz ein Ende zu bereiten. Es war ein Geisttraum, nicht wahr? Na gut, er war vielleicht realistischer und verzehrender als alle Träume, die sie je zuvor gehabt hatte, aber am Ende eines jeden Traumes wachte man doch auf. Ein einziges Wort, und was dann bliebe, wäre ein rasch verblassender Albtraum.
Während sie sich auf dem leeren Friedhof umsah, hätte sie das Wort beinahe ausgesprochen. Aber .... wollte sie denn wirklich, dass alles endete? Sie hatte geschworen, sich durch diese Prüfungen hindurchzukämpfen. Würde sie wegen eines Traums aufgeben? Wegen eines Traums, in dem sie völlig allein war? Es kam ihr zwar wie eine absolute Kleinigkeit vor, aber die eiskalte Wahrheit traf sie erneut: Ich bin nie allein gewesen. Sie wusste nicht, ob sie allein weitermachen konnte, aber dann begriff sie doch: Wäre es kein Traum gewesen – und, lieber Gott, er fühlte sich so wirklich an –, so hätte es im echten Leben doch auch kein magisches Aufhören! gegeben. Wenn sie mit der Einsamkeit in einem Traum nicht fertig werden würde, gelänge es ihr auch im wachen Zustand nie. Und sosehr es ihr Angst einjagte, sie beschloss trotzdem, nicht davor wegzulaufen. Etwas drängte sie zu dem Nebel hin, und sie ging darauf zu – ganz allein.
Eigentlich hätte der Nebel sie in den Garten der Kirche führen sollen. Stattdessen aber formte die Welt sich neu, und sie fand sich in einer Ratsversammlung wieder. Es war eine öffentliche Sitzung, und ein Moroipublikum verfolgte das Geschehen. Anders als sonst saß Lissa aber nicht unter den Zuschauern. Sondern am Ratstisch mit seinen dreizehn Stühlen. Sie saß auf dem Platz der Dragomirs. Der mittlere Stuhl, der Stuhl des Monarchen, war von Ariana Szelsky besetzt. Ohne Zweifel ein Traum, dachte ein spöttischer Teil ihrer selbst. Sie hatte einen Platz im Rat, und Ariana war Königin. Das war zu schön, um wahr zu sein.
Wie immer führte der Rat eine hitzige Debatte, und das Thema war vertraut: der Alterserlass. Einige Ratsmitglieder argumentierten, er sei unmoralisch. Andere hielten dagegen, die Bedrohung durch die Strigoi sei zu groß. Verzweifelte Zeiten erforderten auch verzweifelte Maßnahmen, sagten diese Leute.
Ariana sah den Tisch hinunter, zu Lissa hin. „Was denkt die Familie Dragomir?“ Ariana war
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