Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
zu lächeln. Eine halbe Sekunde lang erwog ich den Gedanken, ihn zu wecken und ihm zu sagen, dass wir aufbrechen müssten. Ein Blick auf die Uhr unterdrückte diese Überlegung jedoch zum Glück. Wir hatten noch Zeit, außerdem stand die Prüfung unmittelbar bevor. Ich musste zu Lissa und vertraute darauf, dass Sonya sicher vorbeikommen würde, wenn wir verschliefen.
Und tatsächlich, ich hatte die Prüfungszeit ganz richtig eingeschätzt. Lissa ging über den Rasen des Hofs wie jemand, der an einer Beerdigung teilnahm. Für die Sonne, die Blumen und die Vögel hatte sie überhaupt keinen Sinn. Selbst ihre Gesellschaft trug wenig dazu bei, sie aufzuheitern: Christian, meine Mutter und Tasha.
„Ich kann das nicht“, sagte sie und starrte zu dem Gebäude hinüber, in dem über ihr Schicksal entschieden werden würde. „Ich kann diese Prüfung nicht machen.“ Die Tätowierung hinderte sie daran, weitere Informationen preiszugeben.
„Du bist klug. Du bist sogar brillant.“ Christian hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt, und in diesem Augenblick liebte ich ihn für sein Vertrauen in sie. „Du schaffst das schon.“
„Du verstehst nicht“, sagte sie mit einem Seufzer. Sie hatte keine Antworten für das Rätsel gefunden, was bedeutete, dass der Plan auf dem Spiel stand – und ihr Verlangen, sich zu beweisen.
„Ausnahmsweise einmal versteht er doch“, bemerkte Tasha mit einem leicht neckenden Unterton in der Stimme. „Sie können es schaffen. Sie müssen es sogar schaffen. Es hängt so viel davon ab.“
Ihre Zuversicht trug nichts dazu bei, dass sich Lissa besser fühlte. Wenn überhaupt, dann verstärkte sie nur den Druck. Sie würde scheitern, genauso wie in dem Traum von der Ratssitzung, den ihr der Kelch gezeigt hatte. Auch dort hatte sie keine Antworten gewusst.
„Lissa!“
Eine Stimme ließ sie alle innehalten, und als sich Lissa umdrehte, sah sie Serena auf sich zulaufen kommen; mit ihren langen, athletischen Beinen legte sie die Strecke zwischen ihnen schnell zurück. „Hallo, Serena“, begrüßte Lissa sie. „Wir können gerade nicht stehen bleiben. Die Prüfung .... “
„Ich weiß, ich weiß.“ Serenas Wangen waren gerötet, und zwar nicht vor Anstrengung, sondern vor Sorge. Sie hielt ein Blatt Papier in der Hand. „Ich habe die Liste erstellt. So viele, wie mir eingefallen sind.“
„Welche Liste?“, fragte Tasha.
„Moroi, die im Auftrag der Königin trainiert haben, um festzustellen, wie gut sie das Kämpfen erlernen könnte.“
Überrascht zog Tasha die Brauen hoch. Sie war nicht dabei gewesen, als sie das letzte Mal darüber gesprochen hatten. „Tatiana hat Kämpfer ausgebildet? Davon habe ich ja noch nie gehört.“ Ich hatte immer das Gefühl, dass sie gern eine der Personen gewesen wäre, die beim Unterricht geholfen hatten.
„Die meisten Leute wussten es nicht“, pflichtete Lissa ihr bei und strich das Blatt Papier glatt. „Es war ein großes Geheimnis.“
Die Gruppe scharte sich zusammen, um die Namen zu lesen, die Serena mit ihrer sauberen Handschrift aufgelistet hatte. Christian stieß einen leisen Pfiff aus. „Tatiana mag ja für die Idee, dass Moroi sich selbst verteidigen könnten, offen gewesen sein, aber das bezog sich nur auf gewisse Leute.“
„Ja“, stimmte ihm Tasha zu. „Das ist eindeutig eine A-Liste.“
Es standen nur Personen von königlichem Geblüt darauf. Mitglieder des Gemeinen Volks hatte Tatiana nicht zu ihrem Experiment herangezogen. Dies war die Creme de la Creme, obwohl Tatiana, wie Ambrose bemerkt hatte, keine Mühe gescheut hatte, eine Vielzahl von Altersklassen und Geschlechtern zusammenzubekommen.
„Camille Conta?“, fragte Lissa überrascht. „Das hätte ich nie erwartet. Sie war im Sport immer ausgesprochen schlecht.“
„Und da ist noch eine unserer Cousinen“, meinte Christian und zeigte auf den Namen Lia Ozera. Er sah Tasha an, die noch immer ganz ungläubig schien. „Hast du das gewusst?“
„Nein. Ich hätte auch nicht auf sie getippt.“
„Und die Hälfte der Kandidaten für den Thron“, überlegte Lissa laut. Rufus Tarus, Ava Drozdov und Ellis Badica. „Zu schade, dass sie .... oh mein Gott! Adrians Mutter?“ Und tatsächlich stand dort: Daniella Ivashkov.
„Donnerwetter“, sagte Christian. Das fasste auch meine Reaktion zusammen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Adrian nichts davon gewusst hat.“
„Unterstützt sie denn die Idee, dass Moroi kämpfen sollten?“, fragte meine Mutter, ebenfalls
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