Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
überrascht.
Lissa schüttelte den Kopf. „Nein. Nach allem, was ich über sie weiß, ist sie ganz eindeutig dafür, die Verteidigung den Dhampiren zu überlassen.“ Keiner von uns konnte sich die schöne, schicke Daniella Ivashkov in einem Zweikampf vorstellen.
„Sie hat Tatiana ohnehin schon gehasst“, bemerkte Tasha. „Das hier hat sich bestimmt ganz großartig auf ihre Beziehung ausgewirkt. Die beiden haben hinter geschlossenen Türen ständig aufeinander rumgehackt.“
Unbehagliches Schweigen legte sich über sie.
Lissa sah Serena an. „Haben diese Leute denn oft mit der Königin gesprochen? Hätten sie überhaupt Zugang zu ihr gehabt?“
„Ja“, antwortete Serena beklommen. „Grant zufolge ist Tatiana sogar bei sämtlichen Übungsstunden zugegen gewesen. Nach seinem Tod .... hat sie mit jedem Schüler einzeln gesprochen, um festzustellen, wie viel sie gelernt hatten.“ Sie hielt inne. „Ich glaube .... ich glaube, sie könnte sich in der Nacht ihres Todes mit jemandem getroffen haben.“
„Waren sie weit genug vorangeschritten, um den Gebrauch eines Pflocks erlernt zu haben?“, fragte Lissa.
Serena verzog das Gesicht. „Ja. Einige konnten es sicher besser als andere.“
Lissa warf wieder einen Blick auf die Liste. Ihr wurde übel. So viele Gelegenheiten. So viele Motive. War die Antwort denn hier auf diesem Stück Papier zu finden? Hatte sie den Mörder direkt vor Augen? Serena hatte zuvor gesagt, dass Tatiana bewusst Personen ausgewählt habe, die dem Training mit Missbilligung gegenübergestanden hatten, wahrscheinlich, um festzustellen, ob selbst die Halsstarrigsten etwas lernen konnten. War sie bei jemandem zu weit gegangen? Speziell ein Name tauchte immer wieder vor Lissas innerem Auge auf.
„Ich unterbreche euch ja nicht gern“, meldete sich meine Mutter zu Wort. Ihr Tonfall und ihre Haltung ließen darauf schließen, dass die Detektivzeit vorüber war; sie hatten sich wieder dem Augenblick zu stellen. „Wir müssen weiter, oder Sie werden zu spät kommen.“
Lissa begriff schnell, dass meine Mutter recht hatte, und steckte das Papier in ihre Tasche. Ein verspätetes Erscheinen zu einer Prüfung bedeutete bereits, dass man durchgefallen war. Lissa bedankte sich bei Serena und versicherte ihr, dass sie das Richtige getan hatte. Dann setzten sich meine Freunde rasch wieder in Bewegung, da die Zeit drängte. Sie eilten auf das Gebäude zu, in dem die Prüfung stattfinden würde.
„Verdammt!“, murmelte Lissa, die nur selten fluchte. „Ich glaube nicht, dass die alte Dame eine Verspätung tolerieren wird.“
„Alte Dame?“ Meine Mutter lachte zu unser aller Überraschung. Sie konnte sich schneller bewegen als alle anderen und hielt sich offensichtlich wegen ihnen zurück. „Die Frau, die die meisten Prüfungen leitet? Sie wissen nicht, wer das ist?“
„Wie sollte ich?“, fragte Lissa. „Ich dachte, sie sei einfach jemand, den man zu diesem Zweck engagiert hat.“
„Sie ist nicht einfach irgendjemand. Das ist Ekatarina Zeklos.“
„Was?“ Lissa wäre beinahe stehen geblieben, dachte aber immer noch an den Zeitdruck. „Sie war .... sie war vor Tatiana die Königin, stimmt’s?“
„Ich dachte, sie hätte sich auf eine Insel zurückgezogen“, meinte Christian, der genauso überrascht war.
„Ich weiß nicht genau, ob es eine Insel war“, sagte Tasha, „aber sie ist tatsächlich zurückgetreten, als sie sich für zu alt hielt, und ist weggegangen, um im Luxus zu leben – abseits aller Politik –, sobald Tatiana den Thron bestiegen hatte.“
Zu alt? Das war vor zwanzig Jahren. Kein Wunder, dass sie uralt wirkte. „Aber – wenn sie so glücklich war, der Politik den Rücken gekehrt zu haben, warum ist sie dann wieder da?“, fragte Lissa.
Meine Mutter öffnete ihnen allen die Tür, als sie das Gebäude erreichten, nachdem sie zuerst hineingespäht und nach irgendwelchen Bedrohungen gesucht hatte. Bei ihr geschah das derart instinktgesteuert, dass sie das Gespräch fortsetzte, ohne einen Herzschlag lang innezuhalten. „Vielleicht ist es Sitte, dass der letzte Monarch den neuen prüft – falls möglich. In diesem Fall war es offensichtlich nicht möglich, also ist Ekatarina aus ihrem Pensionsdomizil zurückgekehrt, um ihre Pflicht zu tun.“
Lissa konnte kaum glauben, dass sie sich so lässig mit der letzten Königin der Moroi unterhalten hatte, einer besonders mächtigen und beliebten Königin. Sobald ihre Gruppe den Flur betrat, wurde Lissa, von Wächtern
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