Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
eskortiert, eilends zum Prüfungsraum gebracht. Den Gesichtern der Wächter war anzusehen, dass sie nicht mehr geglaubt hatten, dass sie es schaffen werde. Mehrere Zuschauer, die sich offensichtlich ebenfalls Sorgen gemacht hatten, bejubelten ihr Erscheinen und verfielen in die gewohnten Rufe, die Alexandra und die Drachen zum Gegenstand hatten. Lissa hatte keine Gelegenheit, darauf zu reagieren oder sich auch nur von ihren Freunden zu verabschieden, bevor sie praktisch in den Raum gestoßen wurde. Die Wächter wirkten erleichtert.
Hinter ihr fiel die Tür zu, und wieder einmal sah Lissa Ekatarina Zeklos an. Der Anblick der alten Frau war schon zuvor einschüchternd gewesen, aber jetzt .... Lissas Nervosität verdoppelte sich noch. Ekatarina bedachte sie mit einem schiefen Lächeln.
„Ich hatte schon befürchtet, Sie würden es nicht schaffen“, sagte sie. „Ich hätte es wohl besser wissen sollen. Sie sind nicht der Typ, der einen Rückzieher macht.“
Lissa war noch immer fasziniert und beeindruckt und verspürte beinahe den Drang, eine Entschuldigung zu stammeln und von Serenas Liste zu erzählen. Aber nein. Für so etwas interessierte sich Ekatarina im Augenblick gar nicht, und gegenüber einer Person wie ihr gebrauchte man ohnehin keine Ausflüchte, fand Lissa. Wenn man es vermasselte, entschuldigte man sich.
„Entschuldigen Sie, bitte!“, sagte Lissa.
„Nicht nötig“, erwiderte Ekatarina. „Sie haben es ja noch geschafft. Wissen Sie die Antwort? Was muss eine Königin besitzen, um ihr Volk wahrhaft zu regieren?“
Lissas Zunge fühlte sich in ihrem Mund geradezu dick an. Sie wusste die Antwort nicht. Es war wirklich genauso wie in dem Traum vom Rat. Die Nachforschungen wegen Tatianas Ermordung hatten so viel Zeit gekostet. Einen seltsamen Augenblick lang brannte in Lissas Herz das Mitgefühl für diese empfindliche Königin. Sie hatte getan, wovon sie meinte, dass es für die Moroi das Beste sei, und sie war dafür gestorben. Selbst jetzt noch, als sie Ekatarina so ansah, war Lissa elend zumute. Diese frühere Königin hatte wahrscheinlich niemals erwartet, dass man sie aus ihrem Domizil – von ihrer Insel? – zurückholte und zwangsweise in das höfische Leben brachte. Trotzdem war sie gekommen, als sie gebraucht wurde.
Und da wusste Lissa plötzlich, einfach so, die Antwort.
„Nichts“, sagte sie leise. „Eine Königin muss nichts besitzen, um zu regieren, denn sie muss alles, was sie hat, ihrem Volk geben. Selbst ihr Leben.“
Ekatarinas Grinsen, das die Zahnlücken zeigte, wurde breiter, und da merkte Lissa, dass sie richtig geantwortet hatte. „Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe! Sie haben es geschafft und werden morgen zur Wahl stehen. Hoffentlich haben Sie auch eine Rede vorbereitet, um den Rat für sich zu gewinnen. Sie werden sie morgen früh halten müssen.“
Lissa schwankte leicht und wusste nicht genau, was sie jetzt sagen sollte, geschweige denn, was sie in einer förmlichen Rede vorzubringen haben würde. Ekatarina spürte offenbar, wie schockiert Lissa war, und das Lächeln, das immer so schelmisch wirkte, wurde plötzlich sanft.
„Sie werden Ihre Sache sicher gut machen. Sie haben es so weit geschafft. Die Rede ist doch der einfache Teil. Ihr Vater wäre stolz auf Sie. Alle Dragomirs vor Ihnen wären stolz auf Sie.“
Diese Worte trieben Lissa um ein Haar die Tränen in die Augen, und sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Wir wissen doch alle, dass ich keine echte Kandidatin bin. Das war bloß .... na ja, eine Art Theater.“ Irgendwie fiel es ihr nicht schwer, das vor Ekatarina zuzugeben. „Ariana ist diejenige, die die Krone verdient.“
Der Blick aus Ekatarinas uralten Augen bohrte sich in Lissas Augen, und das Lächeln erlosch. „Dann haben Sie es also noch nicht gehört. Nein, natürlich haben Sie es nicht gehört, alles ist ja auch so schnell gegangen.“
„Was habe ich nicht gehört?“
Mitgefühl glitt über Ekatarinas Züge, und später sollte ich mich fragen, ob das Mitgefühl eigentlich der Nachricht galt, die sie zu überbringen hatte, oder eher Lissas Reaktion.
„Ariana Szelsky hat diese Prüfung nicht bestanden .... Sie konnte das Rätsel nicht lösen .... “
„Rose, Rose!“
Dimitri schüttelte mich, und ich brauchte einige Sekunden, um von einer schockierten Lissa zu einer verblüfften Rose zu wechseln.
„Wir müssen .... “, begann er.
„Oh mein Gott!“, fiel ich ihm ins Wort. „Du wirst nicht glauben, was ich gerade
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