Vampire bevorzugt
Damentoilette getorkelt, so dass er ganz allein an der Bar war.
»Mal sehen«, sagte ich und schloss die Augen, um mich besser konzentrieren zu können. »Also, sie überlegen, heute Abend einen anderen Parkplatz zu überwachen; und sie sind überzeugt davon, dass der Brandexperte mit den Schießereien zu tun hat und dass Jeff Marriots Tod irgendwie mit allem zusammenhängt. Sie fragen sich sogar, ob das Verschwinden von Debbie Pelt zu diesen Verbrechen dazugezählt werden muss; zumal sie das letzte Mal gesehen wurde, als sie ihren Wagen an der Autobahntankstelle, die am dichtesten an Bon Temps liegt, voll tankte. Und mein Bruder Jason, der vor ein paar Wochen eine Zeit lang verschwunden war, könnte eventuell auch in dieses Bild hineinpassen.« Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Augen, nur um festzustellen, dass Charles mir beunruhigend nah war. Sein gesundes Auge, das rechte, starrte angestrengt in mein linkes.
»Du hast höchst ungewöhnliche Gaben, junge Frau«, sagte er nach einem Augenblick. »Mein letzter Arbeitgeber hat ungewöhnliche Geschöpfe gesammelt.«
»Für wen hast du gearbeitet, bevor du in Erics Bezirk gekommen bist?«, fragte ich. Er drehte sich um und griff nach der Flasche Jack Daniel's.
»Für den König von Mississippi«, erwiderte er.
Ich fühlte mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. »Und warum bist du aus Mississippi weggegangen und hierhergekommen?«, fragte ich weiter und ignorierte die Rufe vom Tisch zwei Meter entfernt.
Der König von Mississippi, Russell Edgington, kannte mich als Alcides Freundin, wusste aber nichts von meinen telepathischen Fähigkeiten und dass ich sie gelegentlich für Vampire einsetzte. Es war sehr gut möglich, dass Edgington einen Groll gegen mich hegte. Bill war in den früheren Stallungen hinter Edgingtons Herrenhaus gefangen gehalten und von Lorena gefoltert worden, von der Frau, die ihn vor über hundertvierzig Jahren zum Vampir gemacht hatte. Bill war entkommen und Lorena gestorben. Russell Edgington musste nicht unbedingt wissen, dass ich die treibende Kraft hinter diesen Ereignissen gewesen war. Andererseits war es aber sehr gut möglich, dass er es wusste.
»Mich hat Russells Verhalten angeödet«, sagte Charles. »Ich teile seine sexuelle Vorliebe nicht, und es wurde einfach langweilig, von all diesen Perversen umgeben zu sein.«
Edgington hatte gern Männer um sich, das stimmte. Er hatte ein ganzes Haus voll von ihnen, wie auch einen ständigen menschlichen Begleiter, Talbot.
Möglich, dass Charles während meines Aufenthalts auch dort gewesen war, obwohl ich ihn nicht bemerkt hatte. Ich war an dem Abend, als ich in das Herrenhaus gebracht wurde, schwer verletzt. Ich hatte daher nicht alle seine Bewohner gesehen, und an die, die ich gesehen hatte, erinnerte ich mich nicht unbedingt.
Mir fiel auf, dass der Vampir-Pirat und ich unseren Augenkontakt aufrechterhielten. Wenn sie eine bestimmte Zeit überlebt haben, können Vampire die Gefühle von Menschen sehr gut lesen, und ich fragte mich, was Charles Twining in meinem Gesicht und meinem Verhalten wohl ausmachte. Dies war einer der seltenen Momente, in denen ich wünschte, ich könnte die Gedanken von Vampiren lesen. Ob Eric eigentlich von Charles' Herkunft wusste? Er hatte ihn doch sicher nicht ohne Überprüfung einfach so eingestellt? Eric war ein umsichtiger Vampir. Er kannte geschichtliche Epochen, von denen ich nicht mal eine Ahnung hatte, und er hatte überlebt, weil er sehr vorsichtig war.
Schließlich drehte ich mich um und erfüllte die Forderungen der rufenden Gäste, die schon seit einigen Minuten ihre Bierkrüge neu gefüllt haben wollten.
Für den Rest des Abends vermied ich es, mit unserem neuen Barkeeper zu sprechen. Ich fragte mich, warum er mir das alles wohl erzählt hatte. Entweder wollte Charles mich wissen lassen, dass er mich beobachtete, oder er hatte wirklich keine Ahnung, dass ich erst vor kurzem in Mississippi gewesen war.
Da hatte ich jetzt eine Menge, worüber ich nachdenken konnte.
Und auch an diesem Abend ging meine Arbeitszeit schließlich zu Ende. Wir mussten Janes Sohn anrufen, damit er seine volltrunkene Mutter abholte, aber das war nichts Neues. Der Barkeeper-Pirat hatte einen guten Abend gehabt, keine Fehler gemacht, mit jedem Gast, den er bediente, ein freundliches Wort gewechselt, und das Glas mit seinem Trinkgeld war wohlgefüllt.
Bill kam seinen Untermieter abholen, als wir dabei waren, die Bar für diesen Abend
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