Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung
leer.
Valentine fragte sich, welchen Grund es für diesen Kampf gegeben haben mochte, und versuchte, die Geschichte der Auseinandersetzung aus der Lage der Leichen zu lesen. Die Harpyien hatten ihr Opfer zunächst in der Straßenmitte angegriffen, wie ihm die beiden Exemplare mit den Einschusslöchern verrieten, die weiter im Osten
lagen. Sein ruheloser Geist war dankbar für die Herausforderung; er ging auf alle viere, um nach Patronenhülsen zu suchen. Ihr Opfer hatte versucht, zu den Bäumen zu flüchten, von denen er gerade gekommen war. Unterwegs hatte er eine Harpyie getötet, indem er die ledrige Schwinge heruntergerissen, ihr das Genick gebrochen und sie in eines der Autos geworfen hatte. Wer immer er war, er war stark. Und groß - die Harpyie war von oben durch das Schiebedach der Limousine geworfen worden. Rund um die zerschlagene Meute gab es noch mehr getrocknetes Blut und eine immer dickere Blutspur, die sich zu einem wahren Strom ausweitete, als sie die geborstenen Fenster eines alten McDonalds erreichte. Im ausgeplünderten Eingangsbereich des Restaurants entdeckte Valentine schließlich noch einen toten Flieger, aber das war alles.
McDonalds pflegte seine Restaurants solide zu bauen; das Dach dieser Filiale war auch nach annähernd fünfzig Jahren im wechselhaften Wetter von Nebraska noch weitgehend intakt. Leisen Schrittes folgte Valentine der Blutspur in das Innere des Gebäudes, durch Schutt und Pflanzen, die überall dort Wurzeln schlugen, wo sich Erde angesammelt hatte. Die Spur endete in dem dunklen, höhlenartigen, stahlverkleideten Raum, der einmal dem Kühlen oder Gefrieren der Lebensmittel gedient hatte.
Valentine roch mehr Blut und hörte langsame, mühevolle Atemzüge. Er öffnete die Tür etwas weiter und warf einen Blick in den Kühlraum.
Ein Grog lag zusammengekrümmt am Boden. Ein enormer Grog. Er sah aus wie einer von denen, die er bei den Zügen des Verbogenen Kreuzes gesehen hatte, nicht ganz so breit wie die wilden grauen Affen, die ihm vertraut waren. Auch hatte die entblößte Haut dieses Exemplars nichts von der dicken, an Rhinozerosse gemahnenden
Panzerung, die die Grogs auf dem Little Timber ausgezeichnet hatte. Stattdessen wirkte sie rau, stark gerunzelt, narbig wie die eines Elefanten. Außerdem trug der Grog passende Kleidung. Er hatte noch nie Grogs gesehen, die mehr als einen schlichten Lendenschurz oder eine Weste getragen hatten. Weiches, beiges Fell tüpfelte seine Brust und wuchs dichter auf Rücken und Schultern. Blut klebte in dem schütteren Haar. Ein hässlicher brauner Streifen zog sich von dem Grog zu einem Bodenabfluss in der Mitte des Raums.
Er war bewusstlos und lag offensichtlich im Sterben. Valentine hätte beinahe die Tür geschlossen, um ihn in Frieden dahinscheiden zu lassen, als er den Grog kaum wahrnehmbar wimmern hörte, verloren in einem schmerzmildernden Traum. Was er auch sonst sein mochte, er hatte sechs Harpyien getötet, vier davon mit bloßen Händen. Damit hatte er, soweit es Valentine betraf, durchaus ein wenig Dank verdient. Er fing an, nach etwas zu suchen, das er als Verband benutzen konnte.
Das Lager war leer, aber als er den Keller durchsuchte, fand er ein paar Lumpen und alte Handtücher. Die Schränke mit der Dienstkleidung und die Spinde der Angestellten waren längst ausgeräumt worden, aber er entdeckte noch eine große rote Flagge, arg zertreten und offenbar von irgendeinem unbekannten und längst wieder verschwundenen Bewohner als Teppich auf dem kalten Boden missbraucht. Schließlich sah er eine alte Schachtel, die mehrere Päckchen mit der Aufschrift DESINFEKTIONSMITTEL enthielt. Probeweise öffnete er eines der Päckchen und schüttete den Inhalt in etwas Wasser, das er aus seiner Feldflasche in einen der Eimer gegossen hatte, die überall im Keller herumlagen.
Geistesabwesend steckte er die leere Packung ein. Die spanische Anleitung zu lesen und mit der englischen Version
zu vergleichen würde seinem Geist später etwas zu tun geben.
Valentine arbeitete nun schneller, ging wieder hinaus, fand etwas Regenwasser in einer Abflussrinne. Er füllte zwei Eimer mit Wasser und wusch die Lappen und die Flagge in dem stehenden Wasser aus, so gut er konnte. Dann schüttete er ein paar Päckchen Desinfektionsmittel in einen der Eimer und wusch den Stoff erneut. Auf dem Rückweg zum Restaurant sammelte er noch einige herumliegende Äste ein. In einem der alten Frittierkübel schichtete er ein Feuer auf und entzündete es der
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