Vampire Earth 3 - Donnerschläge
Vögeln stammen noch von Bäumen hervorgebracht werden sollten, hallen durch die Nachtluft. Selbst das geschulte Ohr kann ihre Herkunft nicht bestimmen. Die Voodoogläubigen sagen, die Geister halten sich am liebsten an Wasserfällen und Bächen auf. Kommt man zu so einem Wasserfall im Gebirge und sieht das Wasser wie eine plätschernde Treppe über eine Felsenklippe stürzen, dann hat man das Gefühl, der erste Mensch zu sein, der ihn je zu sehen bekommen hat, seit die Welt erschaffen wurde. Leicht kann man auf die Idee kommen, er sei von Erscheinungen, die im Nebel tanzen, wenn Sonnenstrahlen ihn durchdringen, gesegnet worden. Dann flattert eine Libelle vorbei mit einer Flügelspanne, so groß wie eine Männerhand, oder Ameisen überqueren in chitingepanzerter Parade eine Wurzel, und der Zauber ist gebrochen. Der Wald ist nur ein Wald, das Wasser wieder nur Wasser - bis später, weit entfernt, die Schönheit des
Ortes ihren magischen Zauber verbreitet und Erinnerungen mit Fantasie vermischt.
Die Roots feierten die Rückkehr ihrer Krieger mit einer heiligen Zeremonie und einer profanen Orgie.
Valentine beobachtete den ehrwürdigen Teil von einem moosbewachsenen Felsen aus. Taufeuchte Farnwedel strichen über seinen Körper. Soldaten und Zivilisten hatten sich, angeführt von ihren Priestern, an einem Wasserfall in den bewaldeten Bergen zusammengefunden. Narcisse saß in den wirbelnden Fluten am Fuß des Wasserfalls auf einem Felsbrocken wie die Statue der kleinen Meerjungfrau und rief die Männer nacheinander zu sich, um sie im Wasser zu reinigen. Andere Voodooanhänger begleiteten Bittsteller in das Wasser oder sangen Hosiannas im Hintergrund. Das Ritual, eine Mischung aus Taufe, Absolution und Bad, bewegte Valentine. Diesem Vorgang haftete nichts von dem feierlichen Ernst der traditionellen katholischen Zeremonien von Vater Max an: Die Teilnehmer und die Zuschauer lachten und feuerten sich gegenseitig mit Rufen und Pfiffen an.
Die Grogs saßen weit oben auf dem Berg, aßen Früchte und beobachteten das menschliche Treiben unten ihnen wie von einem Logenplatz aus. Noch weiter oben hielt Ahn-Kha mit Armbrust und Gewehr Wache, ein aufmerksames Augenpaar, in dessen Schutz die Menschen unten sich entspannen konnten.
Valentine, von Natur aus eher Beobachter als Teilnehmer bei derartigen Anlässen, saß auf seinem Felsen, während Carrasca auf einem Flecken Gras neben ihm ruhte. Vereinzelte Sonnenstrahlen glänzten auf ihrem Haar. Valentine, der schon immer zum wissenschaftlichen Denken neigte, hätte das ganze Geschehen noch vor wenigen Jahren
vielleicht als albernen Animismus abgetan; aber er hatte während seiner Reisen zu viele unerklärliche Dinge gesehen, um noch irgendetwas zu verlachen. Er applaudierte, als Monte-Cristi in das Wasser stapfte. Narcisse nahm sich besonders viel Zeit für ihn, entweder aus Sorge wegen seiner körperlichen Schwäche, oder um den Geistern ausreichend Gelegenheit zu geben, ihre Magie einzusetzen. Der alternde Held war der letzte Einheimische, der ein spirituelles Bad nahm. Einige der Seeleute und Marines von der Thunderbird schlurften herbei, und schließlich unterzog sich auch Post der Zeremonie. Als er seinen Tauchgang beendet hatte, winkte er Valentine zu, es ihm gleichzutun.
»Kommen Sie schon, Val«, sagte sein Freund. »Im Wasser ist es kühler als im Dschungel.«
Valentine und Carrasca zuckten einvernehmlich mit den Schultern, und er zog sich unter dem Applaus der Umstehenden aus. Ein paar zeigten auf die weiße Stelle, die von einer alten Schusswunde an seinem Bein übrig war.
Narcisse legte ihm die Hand auf und rezitierte etwas, das wie eine Mischung aus Französisch und Latein klang. Auf ihr Kommando tauchte er, begleitet von anerkennendem Jubel, in das Wasser.
»Ich wusste, du hast einen starken Ti-bon-ange , mein Junge. Ogoun selbst hat es mir gerade gesagt«, versicherte ihm Narcisse. Valentine fühlte sich erfrischt, wenn nicht gestärkt oder geheilt. Er watete zurück an Land, wollte nach seinen Kleidern greifen, aber Carrasca kam ihm zuvor.
»Ich glaube nicht, dass du schon fertig bist. Siehst du irgendjemanden, der sich jetzt schon anzieht?«
Es folgten weitere Gesänge, und die zurückgekehrten Krieger stellten sich in einer Reihe auf, um nackt in das Dorf zurückzugehen. Valentine gesellte sich zu ihnen. Die
Grogs kletterten von ihren felsigen Logenplätzen herab, um ihnen zu folgen.
»Wo hast du die Beinverletzung her?«, fragte Carrasca, die neben ihm
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