Vampire Earth 3 - Donnerschläge
Zivilisation noch übrig ist, konzentriert sich auf die Ostseite der Insel, wo die Kurfamilie in dem grauen Zikkurat, einst bekannt als der Leuchtturm des Kolumbus, über ein Gefolge von Quislingen herrscht. Ein paar Gemeinden liegen verstreut an den Küsten der Insel und zollen den Dunklen Herren im Osten Tribut. Deren vereinte Schlächter jagen im Binnenland oder laufen mal hier, mal dort auf der Suche nach Auren die Küste an. Vielleicht hat etwas vom Geiste Kolumbus die Kur von Santo Domingo befallen, denn sie gehören zu den wenigen, die sich nicht scheuen, für ihre Raubzüge entlang der langen Küste Hispaniolas in See zu stechen. Und taucht der »Drakkar« der Kur auf, flüchten ganze Städte in die Berge.
Der Sturm war nicht schlimm. Die Karibik hatte im Zuge der Hurrikansaison schon Schlimmeres erlebt. Dieser Frühlingssturm, der über die See zwischen Hispaniola und Kuba peitschte, machte durch Getöse wett, was ihm an Größe fehlte.
Valentine beobachtete Kapitän Carrasca auf der Brücke der Thunderbolt . Ein verknotetes Seil und ein Stöckchen, eine kuriose Mischung aus Friseurhandwerk und Seemannskunst,
hielt ihr Haar auf ihrem Hinterkopf zusammen. Sie stand neben dem Steuerrad, beugte, beinahe wie ein langsam schlagendes Metronom, mal das eine, mal das andere Knie, um sich der Bewegung des Schiffs anzupassen, und beobachtete den Sturm mit Argusaugen.
Seit sie Jamaika verlassen hatten - Lücken, die in der Mannschaft entstanden waren, waren von Seeleuten des Kommodore ausgefüllt worden -, hatte Carrasca Valentine einiges über die Inseln der Karibik beigebracht; es gab winzige Inselchen und Atolle, auf denen manche Menschen Zuflucht gefunden hatten, und größere Inseln wie Kuba und Cozumel, die den Appetit der Kur befriedigten. Sie kannte Wind und Wetter, Strömungen und Passagen, verstand sich auf das Setzen der Segel und den Funkverkehr; von all dem erzählte sie Valentine mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er von seinen alten Wolfszügen hätte berichten können.
»Was macht das Ruder?«, fragte sie den Steuermann.
»Greift gut. Das ist ein schweres Schiff. Da steckt’ne Menge Stahl in diesem alten Schneepflug. Auf der Guideon möchte ich das nicht abreiten. Mit der müssten wir beidrehen.«
»Das Schiff hat zu kämpfen. Wir nehmen mehr Wasser über, als mir lieb ist. Dabei hat sich die See noch nicht so weit aufgebaut - ich schätze, ungefähr drei Meter.«
»Manchmal auch vier, Käpt’n«, sagte der Steuermann.
»Irgendeine Spur von der Küste?«, fragte Valentine und versuchte, die regnerische Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen.
»Der Kopplung nach ist sie dort«, entgegnete Carrasca. »Ich möchte nicht viel näher herangehen. Die besten Häfen sind auf der anderen Seite der Insel, und wir können sie nicht anlaufen.«
Ruhig und fachkundig. Die Wärme, die er zwischen ihnen gespürt hatte in jener Nacht auf dem Balkon, als sie
ihre Aufregung wegen ihres ersten eigenen Kommandos eingestanden hatte, kam ihm nun wie eine Kinderei nach dem Motto »Zeig mir deins, dann zeig ich dir meins« vor. Derzeit musterte sie ihn nur dann und wann aus dem Augenwinkel, als überprüfte sie die Mauer der Sachlichkeit zwischen ihnen auf mögliche Risse.
»Ihre Schiffe legen dort nicht an?«
»Da gibt es nichts, das es wert wäre, dort zu landen, abgesehen von frischem Wasser und Feuerholz. Wir laufen reichere Küsten an. Auf Kuba lohnt sich die Jagd, vor allem an der Nordküste, und in der Passage zwischen Kuba und der Florida-Halbinsel kann man gut fischen.«
»Mein Ziel ist Hispaniola - die haitianische Seite.«
»Ich werde Sie hinbringen. Aber ehe der Sturm sich gelegt hat, wird nichts weiter passieren, Valentine.«
»Ich versuche, etwas zu schlafen. Bitte lassen Sie mich wecken, wenn das Wetter aufklart.«
Valentine verließ die Brücke und schlängelte sich an alten Crewangehörigen und neuen Mannschaftsmitgliedern aus Jamaika vorbei. Er ging in seine Kabine, dieselbe, die er sich früher mit Post geteilt hatte, der nun in der Krankenstation an Bord lag, aber dank der fähigen Leute auf dem alten Lazarettschiff im Hafen von Jayport schon wieder fast gesund war. Doch noch konnte sich der ehemalige Küstenmarine nicht länger als ein paar Stunden am Tag auf den Beinen halten.
Ahn-Kha lag auf dem Boden der Kabine. Sein pferdeartiger Körpergeruch und der Gestank von Erbrochenem schwängerten die Luft. Der Magen des Goldenen hatte gemeutert, kurz nachdem der Sturm begonnen
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