Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
die so weit nach Süden reichen, bestäubt die Ouachitas mit winzigen Schneeflöckchen. Weniger schmerzhaft als Hagel, weniger trügerisch als gefrierender Regen klopft der Schnee hörbar auf das verbliebene Laub, während er herunterrieselt. Der Schneesturm ist das Einzige, das sich an diesem stillen Nachmittag bewegt. Wie ein weißer Vorhang weht er über das Land. Vögel und Wild suchen sich eine Zuflucht und überlassen die Höhen der sanften Berge dem Wind und den sich biegenden Zweigen.
Die Kämme der Ouachitas verlaufen hier in Ost-West-Richtung, als hätte ein Landvermesser sie mit dem Kompass ausgerichtet. Wären die Nadelbäume nicht, die felsigen Höhen würden ebenso gut in die Wüsten des Westens passen; die an Tafelberge erinnernden Klippen erheben sich über einen Teppich aus Bäumen, und hier und da zeichnet nackter Fels ein Grinsen oder Stirnrunzeln in die Hänge. Zwischen den Kämmen strömen unzählige Bäche durch die
Senken, die Rotluchsen, Truthähnen, Singvögeln und verwilderten Schweinen ein Zuhause geben. Letztere zu jagen ist, dank ihrer scharfen Sinne und ihrer erstaunlichen Gerissenheit, eine wahre Herausforderung.
Aber eines der schwartigen Schweine ist, angelockt durch einen Sack Mais, einer einfachen Speerfalle der Grauen zum Opfer gefallen. Mit dem gekochten Fleisch und den Koteletts, die in zwei Pfannen brutzeln, genießen die Flüchtlinge in einem großen, verlassenen Haus den Weihnachtsabend im Schnee. Die Pferde stehen dicht an dicht in der Garage, die von dem wiedergefundenen Wagen in der einst mit Kies bedeckten Auffahrt des Hauses blockiert wird.
Ein einzelner Mann sitzt auf dem Wagen, eine Pferdedecke über Kopf und Schultern gezogen, und wacht über die Tiere. Die haarige Masse fängt den Schnee im Flug auf, als wären die Kreaturen nur dazu geschaffen. David Valentine hockt unter seiner überzuckerten Decke und schnitzt mit Taylands überdimensioniertem texanischem Bowiemesser eine Pfeilspitze aus Schnellholz. Seine dunklen Augen beobachten die feiernden Menschen und Grogs durch das Fenster.
»Schweinekotelett?«, fragte William Post, ehemaliger Lieutenant bei der Küstenmarine der Quislinge. Er hatte genug Lumpen gefunden, sich gewissermaßen vollständig einzukleiden, sah in den diversen Fetzen aber aus wie eine besonders gut ausgestopfte Vogelscheuche. »Es brutzelt sogar noch.«
Valentine spießte das Kotelett mit dem Messer auf. Das Fleisch war zäh, obwohl es zuerst gekocht worden war, aber der fettige Geschmack war wohltuend.
»Frohe Weihnachten, Val«, sagte Post in dem schleppenden Tonfall der Einwohner von Mississippi. Sie waren übereingekommen, auf Formalitäten zu verzichten, wenn sie unter sich waren.
»Dir auch, Will.«
»Meine Frau hat zu Weihnachten immer Erdnusskekse und Pekanusskuchen gebacken«, sagte Post, in dessen beginnendem Bart sich Schneeflocken verfingen. Vorübergehend herrschte Schweigen. Valentine wusste, dass Posts Frau ihn verlassen hatte, als er in New Orleans zum Quisling-Offizier aufgestiegen war. »Narcisse hat irgendetwas mit Reis vor. Zucker habe ich auch gesehen.«
»Station 46 hatte eine gut gefüllte Vorratskammer. Sissy hat sie geplündert.«
»Was wohl aus dem großen Wachmann geworden ist?«, sinnierte Post. »Er schien gar kein so übler Bursche zu sein.«
»Nicht unser Problem.«
»Das weiß ich. Trotzdem muss ich immer wieder an den armen Teufel denken. Ich habe mehr Zeit mit denen verbracht als du. Eine große Wahl haben die Leute nicht. Viele von ihnen kooperieren nicht so bereitwillig, wie du denkst. Jeder Zweite drückt auch mal ein Auge zu, wenn er damit durchkommen kann.«
»Ja. Diese Burschen sind im Grunde Kanonenfutter.« Valentine starrte in den Schnee. »Wo, meinst du, setzen sie ihre guten Soldaten ein?«
»Ich glaube, es gibt immer noch hier und da Kämpfe.«
»Wir haben noch eine Ladung Schnellholz. Wir sollten versuchen, die Orte zu finden, an denen noch gekämpft wird.«
Post nickte. »Übrigens können die Männer kaum glauben, dass du ihretwegen zurückgekommen bist.«
»Das war ich ihnen schuldig. Es war dumm von mir, so gutgläubig zu sein, nur weil wir zurück in dem Gebiet waren, das ich für das Freie Territorium gehalten habe. Dass wir in diesen Hinterhalt geraten sind, ist meine Schuld.«
»Vergessen und vorbei.«
Valentine ließ das Thema ruhen. Durch das schmale Fenster schaute er zu den feiernden Männern hinein. Das war keine kampfbereite Gruppe mehr, und es würde lange
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