Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
der Ozarks. Es war nur ein Hoffnungsschimmer, doch sollte es noch irgendwo Überbleibsel des Kommandos Süd geben, so war es seine Pflicht, das Schnellholz dorthin zu bringen.
Doch es gab noch andere Hindernisse als die Kur. Es würde schwer werden, den Arkansas River auf dem Weg nach Norden zu überqueren. Er hatte ein paar Marines, eine Familie mit einer Schwangeren, einen Fuhrmann aus Texas und einen Quisling, auf den er sich nicht verlassen konnte - und eine kostbare Wagenladung Schnellholz. Sie waren zu viele, um unbemerkt zu reisen, und zu wenige, um sich auch nur durch eine Postenkette hindurchzukämpfen. Er wusste nicht, ob es pures Glück war, dass sie überhaupt so weit in die Ouachitas hatten vordringen können, oder ob es an der Sorglosigkeit der Kur lag. Das Gebirge war verlassen, eigentümlich leer; sie waren mehrfach auf Spuren größerer Gruppen von Menschen gestoßen, doch nur auf den alten Straßen. Wenn das Freie Territorium gefallen war, so hätte er ein Gewimmel von Flüchtlingen in diesen Bergen vermutet: alte Wachengruppierungen, Wolfsbanden oder einfach nur Männer, die entschlossen waren, ihre Familien von den Kur fernzuhalten. Stattdessen gab es kaum mehr als reihenweise verlassene Behausungen in den Senken und Felder und Gärten, in denen schon jetzt Unkraut und Gestrüpp wucherten.
Er senkte den Blick und erkannte, dass die Speerspitze fertig war. Sie war konisch und so grob wie eine neolithische Pfeilspitze. Sie hatten keine spitzen Stahlkappen mehr,
mit denen sie solche Speerspitzen hätten anfertigen können, wie Ahn-Kha sie in Haiti hergestellt hatte. Ohne Stahlkappe den Umhang eines Schlächters zu durchdringen würde schwer werden.
Die Jamaikaner sangen in einem anderen Zimmer. Einer von ihnen hatte einen weißen Plastikeimer entdeckt, wie Valentine ihn aus der Zeit kannte, in der er beim Arbeiterregiment Beeren gesammelt hatte, und ihn zu einem Instrument umfunktioniert. Kaum begann er, mit Holzlöffeln darauf zu trommeln, fielen auch Stimmen ein und brachten, scheinbar mühelos, einen vierstimmigen Gesang zustande. Der Rest, Soldaten, Zivilisten und Grogs, saß nur herum und lauschte den weihnachtlichen Calypsoklängen.
Narcisse, die mit Valentine in der Küche war, schaufelte eine Portion Milchreis auf seinen Teller. Sie benutzte einen hohen Küchenhocker und einen Stuhl als Ersatz für die fehlenden Beine und huschte beim Kochen von einer Sitzfläche zur anderen.
»In Bouls Küche hatte ich einen Hocker mit drehbarer Sitzfläche. So was muss ich mir irgendwann nochmal besorgen. Das wird dir schmecken, Kind. Nur Reis, Zucker und Rosinen«, erklärte sie, als er eine Braue hochzog und an der Speise schnüffelte. »Okay, ein Hauch Rum ist auch drin. Es ist Weihnachten.«
»Rum?«
»Ich habe die Gefangenen aus dem Schnapsschrank der Offiziere in der Stadt befreit.«
»Du bist ein listiges Luder. Wie bist du in diese Festung reingekommen? Wieder Magie?«
Narcisse löffelte noch etwas Milchreis in seine Schale. »Sissy ist alt, aber sie weiß sich immer noch zu helfen. Nur gut, dass ich noch etwas Kaffee in meinem Beutel
hatte; diese Männer da drüben konnten eine Kaffeebohne nicht von einem Ohrläppchen unterscheiden. Ich habe ihn gemahlen und gekocht, und ehe ich wusste, wie mir geschah, stand ich schon in ihrer Küche. Und für den Fall, dass du nicht kommst, habe ich sie glauben lassen, Jamaikaner wären ganz besondere Bauern, die wissen, wie man Kaffee und Kakao und opiathaltigen Mohn anbaut. Ich habe gehofft, ihnen so das Leben retten zu können. Diese Soldaten haben mir geglaubt. Unwissenheit ist keine Stärke.«
»Du kennst George Orwell gut«, sagte Valentine.
Sie zuckte mit den Schultern. »Bin ihm nie begegnet. Das war einer von Bouls Sprüchen.« Boul war der Mann, den sie bekocht hatte, bevor Valentine sie aus Haiti herausgeholt hatte.
»Boul kam mir mehr wie ein Machiavelli-Anhänger vor.«
»Daveed, du siehst bekümmert aus. Machst du dir Sorgen wegen des Babys?«
Valentine war wie vor den Kopf geschlagen. Der Brief, den Mali ihm hinterlassen hatte mit der Anweisung, ihn erst zu lesen, wenn er die Ozarks erreicht hatte, hatte nie den Lederbeutel an seiner Brust verlassen, wo er inmitten der kostbaren Samen ruhte.
»Hat Mali dir davon erzählt?«
»Oh, nein, Daveed. Ich habe das Kind in ihr gerochen, als wir Jamaika verlassen haben. Sie ist jung und stark, Daveed; deiner Tochter wird es gutgehen.«
»Es ist ein Mädchen?« Valentine war durchaus bereit
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