Vampire küssen besser
haben, den Bockerie dank seiner Herkunft verinnerlicht hatte. Als er mich auf sich zukommen sah, hatten seine Befürchtungen Gestalt angenommen, und er hatte gewusst, dass es kein Entrinnen gab. Die Furcht ist eine starke Waffe, ganz gleich ob sie begründet oder eingebildet ist. Ihr war Bockerie zum Opfer gefallen. Doch dafür war die Welt ihn nun los.
Ich erhob mich und flog durch das Loft. Es dauerte nicht lange, bis ich die Kisten mit den Gegenständen entdeckte, die Schneibel nicht mehr rechtzeitig hatte zerstören können. Wie Bockerie sie in seiner Nähe ertragen hatte, war mir unbegreiflich. Womöglich hatte er sie benutzt, um seine Grausamkeit zu verstärken. Schneibel wiederum war von ihnen unbeeinflusst geblieben – vielleicht hatte ihn ein heilsamer Zauber geschützt. Die Frage war nur, was ich mit den Objekten anfangen sollte. Ich konnte das Gebäude nicht niederbrennen, immerhin kamen auf die Weise womöglich unschuldige Menschen zu Tode. Um die Stücke zu vernichten, musste ich einen anderen Weg finden.
An J konnte ich mich nicht wenden. Er würde sie an seine Organisation weiterreichen, und wer weiß, zu welchem Zweck die Zauberkräfte dort benutzt werden würden. Wir waren zwar die »Guten«, doch Macht wurde immer missbraucht. Diese Möglichkeit fiel also flach.
Allein schaffte ich es nicht, die Kisten loszuwerden, nicht in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand. Jede Minute konnte J auf meinem Handy anrufen, und dann musste ich mich auf die Socken machen. Mir blieb nur eine Lösung.
Ich rief meine Mutter an.
Den Riemen meiner Handtasche hatte ich vor dem Hochfliegen wieder um meine Schulter geschnallt, so dass ich auch als Vampir an mein Handy kam. Ich zog es hervor und wählte Mar-Mars Nummer. Als sie sich meldete, hörte ich Lärm im Hintergrund, fragte jedoch nicht nach, wer bei ihr sei. Auch sie stellte keine Fragen, als ich sie bat, sofort mit einem Lieferwagen und Kleidung für mich nach Brooklyn zu kommen. Meine Sachen lagen zwar unten im Haus, doch es erschien mir nicht klug, in meinem Zustand runterzufliegen und sie mir zu holen. Die Lederjacke war ohnehin sicher inzwischen verschwunden, schließlich waren wir in New York.
Meine Mutter erfasste die Dringlichkeit in meiner Stimme und sagte, sie käme so rasch wie möglich. Aber selbst wenn sie sich sputete und aufs Gaspedal trat, würde sie von Scarsdale nach Brooklyn zwei Stunden brauchen. Ich verwandelte ich mich zurück in meine menschliche Gestalt, denn als Vampir bin ich so groß, dass Räume mich beengen – vielleicht mit Ausnahme der hohen weiten Hallen transsylvanischer Burgen. Folglich lief ich nackt umher und fragte mich, wo ich in dem Loft etwas zum Umhängen finden konnte. General Moskitos Kleidungsstücke kamen nicht in Frage, die hätte ich nicht einmal mit der Kneifzange angefasst. Hinter einer Trennwand entdeckte ich ein Badezimmer mit Duschkabine, einem Waschbecken mit einem Schränkchen darüber und einem Halter mit schmuddeligen Handtüchern. In den schmierigen Plastikvorhang der Duschkabine wollte ich mich nicht hüllen, eher mussten es die grünen Samtvorhänge an den Fenstern tun. Ich riss einen herab, entdeckte im Badezimmerschränkchen eine Sicherheitsnadel, und schon besaß ich eine grünsamtene Toga. Ich warf ein Ende über meine Schulter und zog sie fest um mich, denn mir war kalt. Barfuß musste ich wohl oder übel bleiben, wenngleich es mich ekelte, über den schmutzigen Fußboden zu laufen. Meine Fußsohlen waren bereits grau, und ich nahm mir vor, so bald wie möglich eine Pediküre zu buchen. Was für ein Gedanke! Nicht mehr lange, und ich würde Terroristen fassen. Wie konnte man sich da vornehmen, sich hinterher die Füße machen zu lassen?
Ich kehrte in den offenen Teil des Lofts zurück und beschloss, den Raum zu durchsuchen. Als Erstes widmete ich mich Bockeries Leiche, getreu der Devise, dass man das Schlimmste am besten gleich hinter sich bringt. Er lag auf dem Rücken und starrte mich an. Ich holte die Ray-Ban-Sonnenbrille aus Schneibels Galerie aus meiner Handtasche hervor und setzte sie ihm auf. Schon besser.
Mit den Fingerspitzen zupfte ich ihm die Brieftasche aus der Hosentasche und klappte sie auf. In einem Fach steckten über hundert amerikanische Dollar, ebenso wie Leone, die Währung seines Geburtslandes. Wahrscheinlich hatte er vorgehabt, dorthin zurückzukehren – und in gewisser Weise war er das ja auch. Als Nächstes entdeckte ich einen gelben Klebezettel, auf dem R530
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