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Vampire küssen besser

Vampire küssen besser

Titel: Vampire küssen besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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ein Glied, und für einen Moment überlegte ich, wo ich schon einmal solch einen verkrüppelten Zeigefinger gesehen hatte. Ich kam nicht darauf und tat es ab. Ich wollte die Toga loswerden und lief ins Bad, um mich umzukleiden.
     
    Meine Eile hätte ich mir sparen können, denn kaum hatte ich Jeans und Pullover übergestreift, den Lippenstift aufgefrischt und die Wimpern nachgetuscht, als mein Handy klingelte. Inzwischen stand ein Teil der Kisten auf dem Flur, und die ersten Träger machten sich damit auf den Weg nach unten. Sie veranstalteten einen Radau, der Tote hätte aufwecken können. Nicht jedoch Sam Bockerie. Der lag noch immer reglos da. Ich verzog mich in eine Ecke, um den Anruf entgegenzunehmen.
    »Hallo?«, sagte ich nervös. Ich hätte schwören können, dass J am anderen Ende war.
    »Hermes? Ringrichter hier. Es geht los.«
    »Oje«, entgegnete ich unsicher.
    Stille. Ich konnte förmlich sehen, wie J sich zwang, nicht zu explodieren. »Gibt es irgendein Problem?«, fragte er gepresst.
    »Ähm«, sagte ich. »Also, ich weiß nicht richtig, wie man von hier nach New Jersey kommt.«
    Tiefer Seufzer. »Wo sind Sie?«
    »Na, in Brooklyn.«
    Nächster tiefer Seufzer. »Gut. Ich frage lieber nicht nach dem Grund. Sie fliegen über die Upper Bay, bis Sie die schmale Wasserstraße nach Staten Island erkennen. Das ist der Kill van Kull. Der ist Ihnen hoffentlich ein Begriff. Ihm folgen Sie in Richtung Nordwest zur Newark Bay. Danach rufen Sie mich an, und ich dirigiere Sie bis zu Ihrem Ziel. Können Sie das behalten?« Seine Beherrschung war dahin. Er klang deutlich verärgert.
    »Hm«, sagte ich. »Ich denke schon.«
    »Setzen Sie sich in Bewegung«, blaffte er und legte auf.
    Mist, dachte ich beklommen. Jetzt wird’s ernst. Ich musste den Containerhafen finden, denn darauf, dass Cormac dort rechtzeitig eintraf, war kein Verlass. Vielleicht tat ich ihm Unrecht, doch Cormac war in den zweihundert Jahren, in denen ich ihn kannte, kein einziges Mal irgendwo pünktlich erschienen. Wahrscheinlich würde er sich über New Jersey verfliegen. Für den Job wurde jemand wie Superman gebraucht – aber vielleicht mauserte ich mich ja zur Superwoman.
    Als ich mich umwandte, stand meine Mutter da und starrte mich an. Ob sie mein Telefonat mit J belauscht hatte? »Ma«, sagte ich, »es hat einen kleinen Notfall gegeben. Ich muss mich verwandeln. Kannst du deine Leute für einen Moment draußen halten?«
    Sie betrachtete mich mit ernster Miene, und falls sie Fragen hatte, behielt sie sie für sich. »Geht klar, Schätzchen. Nur zu. Ich stelle mich an die Tür und sehe zu, dass keiner reinkommt.« Auf Mar-Mar konnte man zählen. Das war von jeher so gewesen.
    Ich zog mich wieder aus und legte meine Kleidung ordentlich gefaltet auf einen Stuhl. Meine Hoffnung war, dass Mar-Mar sie mitnehmen würde, denn ich hing an den Sachen. Insbesondere die Motorradjacke war mir ans Herz gewachsen. Gleich darauf sprangen in gleißendem Licht meine Flügel auf, und ich war wieder ein Vampir. Ich schlang meine Tasche um, vergewisserte mich, dass ich mein Handy eingesteckt hatte, sprang auf die Fensterbank und flog in die Nacht.

[home]
    Kapitel 15
    Nichts ist wirklich, bis es erfahren wird.
     
    John Keats
     
     
    A uf dem Wasser der Lower Bay hatten sich weiße Schaumkronen gebildet. Vom Atlantik her wehte ein stürmischer Südostwind, der mir das Fliegen erschwerte, und dazu setzte schwerer Regen ein. Er versperrte mir die Sicht. Eine schöne Zeit zum Fliegen war das nicht, nicht einmal für einen Vampir mit übernatürlichen Fähigkeiten. Zum Glück perlte der Regen von meinem Fell ab, doch meine Ledertasche war rasch durchnässt. Die konnte ich vergessen. Ich hätte ein Taxi nehmen sollen.
    Über der Newark Bay zerrte ich mein Handy hervor und meldete mich bei J. Mittlerweile wurde mir der Regen direkt ins Gesicht geblasen. J hatte sich offenbar mit Geduld gewappnet und dirigierte mich mit ruhiger Stimme zum Hafen von Newark, einem riesigen Gelände, das von Natriumdampflampen beleuchtet wurde, so dass es aussah, als würden dort stille kleine Feuer brennen. Ich landete auf einem Wirtschaftsweg, der in die Kellogg Street mündete, entdeckte die Kameras, die das Gebiet überwachten, und nahm an, dass mich irgendwer irgendwo auf einem Bildschirm sah.
    Weit und breit war kein anderer Vampir zu entdecken. Eigentlich hatten wir uns hier versammeln sollen, und vielleicht würde Cormac es ja noch schaffen, im Gegensatz zu Benny, die ich nie

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