Vampire küssen besser
Bettdecke. Es dauerte nicht lange, bis Darius einschlief. Regungslos lag ich neben ihm, sog seinen Geruch ein und lauschte seinem leisen Schnarchen. Ich war noch nicht müde. Und ich konnte auch nicht länger verweilen. Noch vor Anbruch des Tageslichtes musste ich zurück in meinem Sarg sein. Lautlos glitt ich aus dem Bett, wusch mich im Bad, zog mich an und tappte leise zurück ins Schlafzimmer. Dort betrachtete ich Darius, der sich in sein Laken verwickelt hatte: das kräftige Bein, das frei lag, die Hände, die er selbst im Schlaf zu Fäusten geballt hatte, die angespannten Kiefermuskeln, die gerunzelte Stirn. Offenbar war er dabei, Traumgeistern in den Kampf zu folgen, und schlief nur leicht, ohne sich richtig zu erholen. Ich hoffte, keinen Fehler zu machen, indem ich ihm vertraute. Auch meine Gefühle für ihn ließen sich nicht mehr leugnen – trotz seiner Besessenheit und obwohl ich wusste, dass ich für ihn nicht an erster Stelle kam.
Ich war anders als er. Den Zwang, Dinge zu vollenden, kannte ich nicht. Für mich gab es immer Zeit, in der ich träumen und trödeln konnte, Zeit für nächtliche Streifzüge, »Zeit für hundert Unentschlossenheiten und für Visionen und Verdrossenheiten«. Ich hatte die ganze Ewigkeit vor mir und konnte mich nach Lust und Laune verhalten. Für Darius dagegen tickte die Uhr, so dass er mit aller Macht losstürmte, getrieben von seinen Dämonen und begleitet von der Endgültigkeit des Todes. Ich warf noch einen letzten Blick auf ihn und wandte mich ab.
Mein Herz wollte bleiben, das spürte ich deutlich. Ich nahm jedoch meinen Mantel, schlich hinaus und zog die Tür leise ins Schloss. Auch ich hatte über die Jahrhunderte Gedichte gelernt. Auf dem Weg hinaus verfolgten mich die Zeilen meines irischen Freundes Billy Yeats.
Am Bach auf einer Wiese war’s, wo sie mit mir stand; auf meiner krummen Schulter lag schneeweiß ihre Hand. Nimm leicht das Leben, bat sie, wie Gras wächst leicht am Wehr. Doch ich war jung und töricht und weine nun seither.
Ich hoffte, dass diese Worte keinerlei prophetische Bedeutung besaßen. Doch mich überlief ein Frösteln, als ich auf den Bürgersteig der Fifth Avenue trat und mir mit der kalten Luft die Gewissheit entgegenschlug, dass sie es wahrscheinlich taten. Das Herz wurde mir schwer.
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Kapitel 7
Grausamkeit hat ein menschliches Herz,
Ein menschliches Gesicht der Neid.
William Blake
I ch kehrte in meine Wohnung zurück. Körperlich war ich befriedigt, doch mein Geist war beunruhigt und meine Seele verstört. An meinem Anrufbeantworter blinkte das Lämpchen und kündete mehrere gespeicherte Nachrichten an, wahrscheinlich von meiner Mutter. Sie war diejenige, die am häufigsten anrief. Trotzdem beschlich mich ein mulmiges Gefühl.
Es kam noch schlimmer als erwartet.
Erste Nachricht. Die von Whisky und Nikotin geschwängerte Stimme meiner Mutter ertönte. »Hallo, Schätzchen. – Ach, bist du nicht da? – Ich wusste ja gar nicht, dass du was vorhattest. Triffst du dich mit jemandem? Vergiss nicht, dass wir für morgen Abend verabredet sind. Ausreden lasse ich nicht gelten. So gegen sieben. Zieh dir was Hübsches an. Ich hab dich lieb. Die Macht dem Volk.«
Zweite Nachricht. Zu meinem Erstaunen vernahm ich Cormacs Stimme. »Sieh einer an, die Dame ist Freitagabend auf Achse. Also wirklich! Scheint, als hätte sich wenigstens einer von uns was Interessantes – oder wen Interessanten – vorgenommen. Wünschte, ich könnte dasselbe von mir behaupten, du kleines Luder. Hast du schon Mata Hari gespielt und ein paar böse Buben geschnappt?
Du kannst dir nicht vorstellen, was bei mir abgeht. Bin wohl so eine Art Mädchen für alles geworden, ständig zwischen hier und der Reinigung unterwegs. Treppauf, treppab, um Bruder So-und-so zu sagen, dass seine Klamotten wieder sauber sind. Und nachts singen die Typen ihr gregorianisches Zeug auf Lateinisch. Habe ich schon im Mittelalter nicht ausstehen können. Schreikrämpfe könnte ich kriegen. Zum Glück habe ich Kopfhörer und meine Madonna- CD s dabei.
Aber eigentlich wollte dir was ganz anderes erzählen. Vorhin hab ich mich mit unserem gemeinsamen Freund getroffen. Oh, war der schlecht gelaunt! Ich glaube, du stehst auf seiner schwarzen Liste. Hast du irgendwelche Schweinereien gemacht? Wenn ja, möchte ich gern die Einzelheiten hören. Und zwar pronto. Ruf mich nicht an. Ich melde mich wieder. Bussi-bussi.«
Dritte Nachricht. »Hallo, Süße. Benny hier. Hör zu,
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