Vampire küssen besser
stand schon da und schaute mir mit Donnerwettermiene entgegen. Er brauchte gar nichts zu sagen, die zusammengekniffenen Lippen und gerunzelten Brauen sprachen Bände. Der Mann war eindeutig in einer Stinklaune. Ich betrachtete ihn kühl und beschloss, mich an seiner Verfassung nicht zu stören. Der Typ hatte generell Probleme, seine Wut in den Griff zu kriegen. Wahrscheinlich explodierte er zwei-, dreimal am Tag. Pfählen wollte er mich augenscheinlich nicht. Warum also sollte ich mir Sorgen machen? Ob er mir kündigen wollte? Glaubte ich eher nicht.
Allerdings schien meine Gemütsruhe ihn erst recht auf die Palme zu bringen und eine Glut zu entfachen, die noch die Luft um ihn herum erhitzte. »Setzen!«, sagte er und deutete zum Konferenztisch. »Wir müssen reden.«
Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und warf meinen Rucksack achtlos neben mir auf den Boden. »Auch Ihnen einen schönen Abend. Könnte ich was zu trinken bekommen? Ich habe richtig Durst. Gibt’s hier auf der Etage vielleicht einen Cola-Automat?«
»Hier gibt es keinen Cola-Automat«, knirschte J mit zusammengebissenen Zähnen. »Halten Sie das Ganze eigentlich für einen Jux?«
»Nein«, entgegnete ich und schüttelte meine Jacke ab. J schaute mich finster an. »Könnte ich wenigstens die Flasche Wasser dahinten haben? Wahrscheinlich ist sie warm, aber das macht nichts.« Seelenruhig marschierte ich zu dem kleinen Tisch, griff nach der Flasche, drehte den Verschluss ab und trank lange und genüsslich. Dann wischte ich mir ein paar Mal über den Mund und kehrte zu meinem Stuhl zurück. »Schon besser. Also, was liegt denn so Dringendes an, dass es nicht bis morgen warten kann?«, fragte ich mit Unschuldsmiene. »Geht es um meinen Besuch bei Mr.Schneibel?«
»Nein. Damit hatten wir gerechnet. Der passt zu Ihrem Profil. Nur hiermit hatten wir nicht gerechnet.« J zog ein Foto hervor und knallte es vor mir auf den Tisch.
Das Foto zeigte, wie Darius und ich uns auf den Stufen des Metropolitan Museum engumschlungen küssten.
Heiliger Strohsack! Wie konnte das geschehen? Wieso hatte ich nicht gemerkt, dass mir jemand gefolgt war? Mein Magen verkrampfte sich, doch ich schaffte es, leichthin zu sagen: »Das ist der Mann, mit dem ich zusammen bin. Na und?«
»Ach was! Na, das ist ja interessant! Ausgerechnet mit Darius della Chiesa! Und seit wann geht das schon?« Js Kiefer waren so fest zusammengepresst, dass ich anfing, mir um seine Backenzähne Sorgen zu machen.
»Seit einer Weile. Warum? Was soll das Theater?« Langsam begann auch ich, sauer zu werden.
»Jetzt tun Sie doch nicht so!«, brüllte J. »Das fing erst an, nachdem wir Sie angeworben hatten. Der Mann ist ein Agent, und das wissen Sie ebenso gut wie ich. Er hat Sie angebaggert, um Ihnen Informationen zu entlocken. Was haben Sie ihm erzählt?«
»Nichts. Rein gar nichts. Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass er mich angebaggert hat? Vielleicht habe ich mich ja an ihn herangemacht! Aber wie auch immer, wir haben uns kennengelernt, und dabei hat es gefunkt. Das ist alles. Mit unserem Geschäft hat das nichts zu tun.« Zielsicher hatte J den wunden Punkt getroffen. Das Misstrauen, das ich Darius gegenüber gehegt hatte, kehrte mit aller Macht zurück. Dumm war nur, dass ich auch J inzwischen nicht mehr traute. Wahrscheinlich wurde ich von beiden Seiten manipuliert. Bei dem Gedanken wurde ich zornig.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte J: »Das glauben Sie doch selbst nicht. Auch wenn seine Leute nicht mit meinen Leuten reden, wissen wir, dass er Bonaventure unter Beobachtung hat. Was hat er Ihnen erzählt?«
In dem Moment beschloss ich, J außen vor zu lassen, bis ich wusste, wer auf meiner Seite war – falls es überhaupt jemand war. »Nichts«, sagte ich. »Er hat mir nichts erzählt, und ich habe ihm nichts erzählt. Schauen Sie sich das Foto an. Sieht das aus, als würden wir reden?«
»Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind. Der Typ nutzt Sie aus. Wie weit ist diese Beziehung schon gediehen? Schlafen Sie mit ihm?«
Ich kam mir vor wie eine Verbrecherin beim Verhör. Wütend stand ich auf und sammelte meine Sachen ein. Ich war bedient. »Das geht Sie nichts an«, fauchte ich, machte kehrt und öffnete die Tür. Wie der Blitz stand J vor mir, schubste mich in den Raum zurück und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
»Das geht mich sehr wohl etwas an!«, brüllte er mir ins Gesicht. »Falls er Sie benutzt, um sich an unsere Zielperson ranzumachen, muss ich
Weitere Kostenlose Bücher