Vampire küssen besser
Buckel runterrutschen, als J mit sanfterer Stimme ergänzte: »Die Gefahr ist zu groß, Daphne. Im Ernst. Wenn er herausfindet, was Sie sind, wird er keinen Moment zögern, Ihnen einen Pflock ins Herz zu treiben.« Und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich sogar, dass er sich tatsächlich um mich sorgte.
»Sie können mich mal«, sagte ich im Aufstehen. Dann zog ich meine Jacke an und schulterte den Rucksack. »Ich bin müde. Ich muss nach Hause und ins Bett. Falls Sie mich dringend sprechen müssen, rufen Sie mich, wie alle anderen auch, auf dem Handy an. Die Nummer werden Sie ja wohl haben. Wenn es ausgestellt ist, heißt das, ich bin beschäftigt. Oder im Bett. Und zwar mit wem ich will.« J starrte mich an, doch ich drehte mich um und verließ den Raum. Keine Ahnung, was J durch den Kopf ging, aber schöne Gedanken waren es sicher nicht.
Was Darius betraf, wusste ich nicht, was ich denken sollte, nahm mir jedoch vor, wachsam zu sein. Der Zweifel war gesät und dabei, in meinem Herz aufzugehen.
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Kapitel 8
Die Cocktailparty
W as ihren Aufzug für Samstagabend betraf, hatte Benny keine halben Sachen gemacht. Unter einem bodenlangen weißen Fuchsmantel trug sie einen leuchtendroten Fummel mit einem Seitenschlitz, der nur noch wenig der Phantasie übrigließ. Glitzerndes Körper-Make-up, Goldglanz zur Betonung ihres blonden Haars und Pumps mit Absätzen so hoch, dass ich mich fragte, wie sie darin überhaupt laufen konnte, rundeten das Gesamtbild ab. Dezent war das zwar nicht, sah aber rattenscharf aus.
In Anbetracht meiner gedrückten Stimmung hatte ich mich für eine Hose aus braunem Leder, eine braune Neckholderbluse und eine Harley-Motorradjacke entschieden.
Trotz ihres Hangs zur Gegenkultur wohnte meine Mutter im Reichenviertel Scarsdale. Im Haus empfing uns ein pickliges Mädchen in Minirock und Cowboystiefeln, in der Hand ein Glas Martini, mit Olive, ohne Eis. »Habe ich frisch gemixt«, begrüßte sie uns. »Möchtet ihr ein Glas? Ihr könnt wählen. Martini mit Wodka oder Gin.«
»Danke, weder noch«, erwiderte ich. »Jedenfalls nicht für mich. Wie sieht es bei dir aus, Benny?«
»Hätte nichts dagegen, Schätzchen. Nur um meine Nerven zu beruhigen.«
»Stoli oder Gin?«
»Stoli.«
»Irgendwas dazu?«
Benny wandte sich dem Mädchen zu. »Falls es keine Umstände macht, spül mir das Glas mit Wermut aus, Süße. Aber zuerst lege ich noch meinen Mantel ab.«
»Null Problem«, sagte das Mädchen. »Lass ihn da auf dem Stuhl. Ich hänge ihn nachher auf. Das ist hoffentlich kein echter Pelz. Tiere wegen ihrer Felle zu töten ist grausam und unmenschlich.«
Ihr Blut zu trinken ist aber erlaubt?, hätte ich am liebsten gefragt, sagte aber stattdessen: »Wir haben uns noch gar nicht bekannt gemacht.«
»Ich weiß, wer ihr seid. Ich bin Salbei Thymian. Ich bin mit deiner Mutter in einer Gruppe zur Rettung der Bäume. Wir kämpfen gegen die Rodung der Wälder.«
»Wusste gar nicht, dass es hier noch Wälder gibt. Wo wird denn gerade abgeholzt? Kann ich mich demnächst auf ein neues Einkaufszentrum freuen?«
»Ach, du«, erwiderte Salbei und kippte ihren Martini. »Du bist genau, wie deine Mutter gesagt hat. Bissig – ich meine, zynisch. Oben in den Adirondacks schlagen sie gerade die Bäume ab. Einfach schrecklich ist das, aber das weißt du ja auch. Du wolltest mich nur aufziehen, stimmt’s? Mit deiner Mom hast du echt Glück. Sie ist einfach toll. So voller Elan.« Salbei musterte mich. »Komisch, irgendwie sieht sie jünger aus als du.« Dann zuckte sie die Achseln und trank den Rest ihres Martinis aus. »Wahrscheinlich weil sie Vegetarierin ist und dich schon als Teenager bekommen hat. Sie hat uns erzählt, dass sie in einem Slum gewohnt hat und fast noch ein Kind war, als sie mit dir schwanger war, und wie sie sich mit Klauen und Zähnen aus der Armut befreit hat, bis sie dieses kulturell benachteiligte Milieu hinter sich lassen konnte. Dazu gehören enorm viel Mut und Kraft. Sie ist das wunderbarste Vorbild, das man sich denken kann.« Sie strahlte mich schwachsinnig an, ehe sie kehrtmachte und in Richtung Küche entschwebte. Um ein Haar hätte ich laut gelacht.
»Das wunderbarste Vorbild«, murmelte ich vor mich hin. »Vor allem wenn man lernen will zu lügen wie gedruckt.« In Wahrheit war meine Mutter bereits sechshundert, als sie mich zur Welt brachte, lebte in einem Palast außerhalb Roms und hatte so viel an Gold und Juwelen angehäuft, dass sie als eine der reichsten
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