Vampire küssen besser
die Limousine gestiegen, die uns zurück nach New York bringen sollte, als ich mich entschied, ihn vom Handy aus anzurufen. Klug war das nicht, schließlich hatte ich vor einer Weile
Die Kunst, den Mann fürs Leben zu finden
gelesen, um zu sehen, ob sich in den letzten zweihundert Jahren etwas geändert hatte. Hatte es nicht. Nach wie vor begehrten Männer jene Frauen, die sie zappeln ließen. Nichts war schlimmer als eine Frau, die sich anhänglich zeigte, einen Vorstoß wagte, die Zügel in die Hand nahm, ihre Meinung sagte – oder einfach nur ehrlich war. Ich stand also im Begriff, gegen eine der obersten Regeln zu verstoßen, die lautete: Ruf ihn nicht an und ruf ihn nur selten zurück.
Schon den ganzen Tag war mir die Beziehung zu Darius nicht aus dem Sinn gegangen. Wie Tischtennisbälle waren meine Gedanken hin- und hergehüpft: Warum hatte er nicht gefragt, was ich am Samstagabend vorhatte? Warum war er schon eingeschlafen, bevor ich ihn verließ? Warum hatte er nicht angerufen? Jede Stunde hatte ich sowohl meine Mailbox als auch meinen Anrufbeantworter abgehört. Nichts. Sicher, er war ein Spion inmitten eines gefährlichen Auftrags. Da konnte man nicht verlangen, dass er zwischendurch anrief, um gemütlich zu plaudern. Doch ich mochte es drehen und wenden, wie ich wollte, unterm Strich blieb, dass er sich nicht einmal erkundigt hatte, ob ich gut nach Hause gekommen war. Oder ob es für mich auch so schön gewesen war wie für ihn und ich Zeit hätte, ihn wiederzusehen – all die Dinge, die man von jemandem erwartet, dem etwas an einem liegt. Eigentlich hätte er sich gleich nach dem Aufwachen bei mir melden müssen, doch das hatte er nicht getan. Ich fand, das war kein gutes Zeichen.
So weit meine Erkenntnisse. Andererseits hatte ich seit nahezu zweihundert Jahren enthaltsam gelebt. Meine Hormone waren in Aufruhr und taub gegenüber jeder Vernunft. Schließlich fiel mir ein, weshalb ich Darius anrufen konnte: Wir mussten unsere nächsten Schritte in Bezug auf Bonaventure planen. Ein guter Grund, wenn auch ein wenig fadenscheinig.
Ich wandte mich zu Benny und Louis um. »Hättet ihr was dagegen, wenn ich jemanden anrufe und nachfrage, ob er Lust hat mitzukommen?«
»Was sollten wir denn dagegen haben?«, fragte Benny.
»Er ist keiner von uns«, erwiderte ich. »Und er weiß nicht, was wir sind. Macht euch das was aus?«
Benny schaute Louis an. »Mir nicht«, sagte er.
»Ruf ihn ruhig an«, erklärte Benny. »Wird bestimmt nett, ihn kennenzulernen.« Louis legte einen Arm um sie und drückte sie an sich.
Ich wusste, dass ich dabei war, ein ungeheures Risiko einzugehen, denn falls Darius tatsächlich ein Vampirjäger war, bedeutete er eine Gefahr für unser Leben. Meine Bedenken gingen jedoch in meiner Sehnsucht unter, die mit fortschreitendem Abend stärker und stärker geworden war. Außerdem war es Samstagabend, und ich wollte, wie die anderen auch, zu zweit sein. Gleich darauf machten sich wieder meine Ängste bemerkbar. Vielleicht würde meine Seele den uralten Trieben nicht standhalten können und meine hochherzigen Pläne an niederen Instinkten scheitern. Vielleicht würde ich von einem Hunger gepackt werden, der seinen Ursprung in grauer Vorzeit hatte, als die Wölfe noch auf den Steppen Russlands heulten und die Zigeunerwagen von Rumänien her ruhelos über Land zogen, auf der Suche nach einem wärmeren Klima, bis sie sich schließlich am Rand unserer Stadt in der römischen Ebene niederließen.
Zum Telefonieren hatte ich mich auf den Klappsitz der Limousine gehockt, doch das Handy lag reglos in meiner Hand. Ich starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit und entsann ich mich wieder, wie alles begonnen hatte.
Es war an einem Abend vor etlichen Jahrhunderten gewesen. Bodennebel stiegen auf und krochen um meine zarten Fußgelenke. Am Himmel deutete sich ein Vollmond an. Das war der Abend, an dem ich in den Armen eines Zigeunerkönigs jenen schicksalhaften Biss erhielt. Arme Mar-Mar! Wie lange hatte sie versucht, mich zu beschützen! Die Zigeuner hatten ihr Lager nicht weit von unserem Palast entfernt aufgeschlagen, denn sonst wäre vielleicht alles anders gekommen. Damals war ich gerade achtzehn, und meine Hormone liefen Amok. An dem Abend hatte ich unter den Bäumen Florin entdeckt, der das Hemd auf der Brust offen trug, ein Halstuch umgebunden hatte und die Zügel seines grauen Ponys hielt.
Bis dahin hatte ich am Waldrand Blumen gepflückt, und meine Arme wurden schwer von den üppigen
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