Vampire küssen besser
französisch aussprach, wie Luui.
»Woher kommt Ihr Akzent?«, fragte Benny.
»Aus Luui-sana. Und Ihrer?«
»Aus Missouri, dem Show-Me State, Schätzchen«, sagte Benny. »Dem Staat, wo die Leute wollen, dass man’s ihnen zeigt. Man könnte also sagen, wir sind halbe Verwandte.«
Ihre Blicke verhakten sich. Anschließend ließen sie sich dicht nebeneinander auf dem Sofa nieder und redeten und lachten, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt. Mar-Mar schien aus dem Konzept gebracht. Wahrscheinlich sah sie ihre Felle davonschwimmen.
Mir dagegen fiel ein Stein vom Herzen. Dann zuckte Mar-Mar mit den Schultern und schleppte mich hinüber zu Zoe, Louis’ Mutter, einer knochigen Alten, die ihrem Schicksal offenbar mit siebzig begegnet war. Schrecklich, sich vorzustellen, dass vielleicht ein junger Vampir sich diesen runzligen Hals vorgenommen hatte. Sie trug ein unförmiges Chanel-Kostüm und hielt eine Zigarettenspitze in den Fingern. Umhüllt von einer Gin-Wolke erhob sie sich schwankend, entblößte beim Lächeln ihr Gebiss und erklärte: »Na, da ist aber jemand der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Es gelang mir gerade noch, ein Schnauben zu unterdrücken. Meine Mutter und ich sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht, wir ähneln uns nicht im Geringsten. Aber wer weiß, was Zoe in ihrem angeschlagenen Zustand sah. »Igitt!«, rief sie, als Salbei Thymian mit einem Tablett zu uns trat. »Ist das schon wieder Stoli-Martini? Ich will Bombay Sapphire, wie es sich für richtige Martini-Trinker gehört. Mar-Mar, sag ihr, dass ich eine richtige Martini-Trinkerin bin.«
Mar-Mar lachte. »Und ob! Los, Zoe, erzähl uns noch mal meine Lieblingsgeschichte. Ich meine die, wo du mit dem Maharadscha oben im Baum warst. Die Geschichte mit den Tigern.«
»Du hast überhaupt nichts kapiert, Marozia.« Zoe spitzte die Lippen und schaute meine Mutter triefäugig an. »Es gab keine Tiger. Darum ging es ja.« Zoe wandte sich an mich, versuchte, ihren Blick gerade zu halten, und stach mit der Zigarettenspitze Löcher in die Luft. »Louis und ich waren in Indien … damals, noch vor dem Krieg.« Sie hielt inne und wirkte noch konfuser. »Vor welchem Krieg eigentlich? Der Erste? War das der Erste Weltkrieg, Mar-Mar? Na, ist auch egal. Jedenfalls hatte der Maharadscha, dieser alte Ziegenbock, nur eins im Sinn …«
Von da an ging es mit dem Abend bergab. Eine Stunde harrte ich noch aus, doch dann schlug ich Benny vor, mit mir zurück in die Stadt zu fahren und, falls sie Lust hatte, einen draufzumachen. Flüsternd fragte sie nach, ob Louis auch mitkommen könne, und wirkte dabei so glücklich, dass ich ihr den Wunsch unmöglich ausschlagen konnte. Ich bestellte ein Taxi, und wir verabschiedeten uns. Mar-Mar küsste die Luft an meinem Ohr und schniefte ein wenig, als sie mir zuraunte, dass man immer dem wehtue, den man am liebsten hat. Ehe sie mir noch mehr Schuldgefühle einreden konnte, blieb ihre John-Lennon- CD hängen, und sie lief zur Stereoanlage, um sie zu retten. Gleich darauf ertönte »Only Time« von Enya. So viel zum Thema, dem liebsten Menschen wehzutun – meine Mutter wusste, wie sehr mir das Lied zu Gemüt ging. Salbei Thymian rief aus der Küche, andere aus der Rettet-die-Bäume-Gruppe seien auf dem Weg und wollten die Geschichte von dem Jungen, der Fledermäuse hören konnte, erzählt bekommen. Ob sie mehr Drinks machen solle und wo die Tüte mit den Kartoffelchips sei? Es sah aus, als würde Mar-Mar mich nicht großartig vermissen. Jedenfalls konnten Benny, Louis und ich entschlüpfen, ohne dass mich Tränenbäche verfolgten.
In New York gibt es eine Clubszene nur für Vampire, die ich normalerweise meide wie die Pest. Mit den Männern, die dort aufkreuzen, habe ich – bis auf die Sache mit dem Blutdurst – nichts gemeinsam, selbst wenn sie alle Vampire sind. In der Regel handelt es sich um vergnügungssüchtige Typen, die sich betrinken oder bekiffen, ihren Lieblingsbands hinterherziehen und sich um die Frauen schlagen, die am besten aussehen. Nicht ein einziges Mal bin ich da auf einen Mann gestoßen, der über Bücher reden oder ein Museum besuchen wollte. Kino oder Fernsehen sind die Dinge, die sie sich unter Kultur vorstellen, dazu vielleicht noch der neueste Cocktail, die neuesten Flitzer – und im Hinterkopf immer der Gedanke an den nächsten Biss. Und genau damit möchte ich nicht in Berührung kommen. Überhaupt war ich nicht in Stimmung. Darius fehlte mir.
Wir waren gerade in
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