Vampire küssen besser
ihn.
»Wehe, du lässt dich umbringen«, flüsterte ich, legte meinen Kopf an seine Brust und hörte sein Herz schlagen. Im Moment lebte Darius noch, und vielleicht gab es nur noch diesem Moment. Ich wollte mich nicht auf morgen oder übermorgen vertrösten lassen, ich wollte ihn jetzt und heute. Darius stöhnte, und ich spürte sein hartes Glied an meinem Unterleib.
»
Du
bringst mich um«, sagte Darius, löste sich aus unserer Umklammerung und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. Während er mich neben sich zog, sagte er lächelnd: »Meine Güte, jetzt brauche ich einen Drink.«
Offenbar wollte es mir nicht gelingen, Darius zu verführen. Obwohl mich das grämte, lachte ich ebenfalls und sagte: »Wenn wir schon von Zukunftsplänen reden – kann ich dich etwas Persönliches fragen?«
Etwas Wachsames kroch in seinen Blick. »Was willst du wissen?«
»Welchen ausländischen Film magst du am liebsten?« Darius schaute verdutzt drein. Mit der Frage hatte er eindeutig nicht gerechnet. »Das interessiert mich wirklich. Ich meine, so was fragt man doch, wenn man dabei ist, sich näherzukommen.«
»Hm«, machte Darius. »Darf es auch ein amerikanischer Klassiker sein? Bei Filmen stehe ich eher auf Western.«
»Western? John Wayne und so? Kerle, die in den Sonnenuntergang reiten und sich für ihr Pferd entscheiden statt für eine Frau?«
»Zum Beispiel. Aber eher noch Alan Ladd in George Stevens’
Mein großer Freund Shane.
«
Interessant, dachte ich. Der Revolverheld, der einem neuen Leben entgegenreitet. Die Rolle dürfte Darius wie auf den Leib geschneidert sein. »Na gut«, fuhr ich fort. »Was ist dein absoluter Lieblingsfilm?«
»Walt Disneys
Bambi.
«
Darauf fiel mir nichts mehr ein, und so saßen wir für lange Zeit stumm da, genossen unser Beisammensein und die Wärme des Kaminfeuers, das knisterte und knackte. Nach und nach leerte sich die Bar, und bis auf ein gelegentliches Klirren von Glas auf Glas, wenn der Barmann einer Bestellung nachkam, waren nur noch gedämpfte Laute zu vernehmen. Auch Darius und ich unterhielten uns flüsternd. Zufrieden spürte ich die Nähe seines warmen Körpers und seine Hand, die meine hielt oder streichelte. Wir sprachen über Sonnenaufgänge, die wir erlebt, und Orte, die wir gesehen hatten. Wie sich herausstellte, liebten wir es beide, stille Gassen alter italienischer Städte zu durchstreifen und in Geschäften zu kaufen, in denen man keine Touristen traf. Dabei rühmte ich einen Lakritzladen in Venedig, Darius einen Olivenladen in Rom. Beide hatten wir aktive Vulkane bestiegen und ihre brodelnde Lava bestaunt, ehrfürchtig auf den Marmorstufen verfallener römischer Amphitheater gesessen und die Gegenwart all jener gespürt, die sich dort Jahrhunderte vor uns aufgehalten hatten. Einzelheiten aus seinem Leben erwähnte Darius nicht, und ich schwieg mich über die meinen aus. Doch selbst wenn wir dem anderen jede Menge verbargen, waren wir uns in vielen Dingen ähnlich – bis auf den einen entscheidenden Unterschied.
Zu guter Letzt beschlossen wir, dass es an der Zeit war aufzubrechen. Draußen rief Darius mir ein Taxi. Zum Abschied küsste er meinen Mund, sehnsüchtig, aber viel zu kurz. »Bitte, bleib am Leben«, bat ich ihn voller Inbrunst.
»Du auch«, flüsterte er und berührte noch einmal zärtlich meine Wange, ehe er die Tür des Taxis schloss. Ich wandte mich um, beobachtete ihn aus dem Rückfenster, bis der Wagen um eine Ecke bog, und hoffte aus ganzer Seele, dass ich ihn nicht zum letzten Mal gesehen hatte.
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Kapitel 9
Die besten Pläne von Mäusen und Menschen,
sie schmelzen dahin
und lassen nichts als Kummer und Schmerzen
statt freudigem Sinn.
Robert Burns
I n den Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen entstehen Kummer und Melancholie und finden keinen Weg hinaus, kein Ventil. Das sind die Stunden, in denen Nachtwesen jagen und unschuldigen Leben in Betten und Bäumen einen raschen Tod bescheren. Das ist die Zeit der Vampire, die seit Beginn aller Tage die tiefsten Ängste und heimlichsten Begierden der Menschen hervorgerufen haben, dann, wenn sie dem ersten süßen Kuss entgegenbangen und sich nach Unsterblichkeit sehnen. Denn wie man weiß, konnten die Menschen noch nie dem Reiz und der Verlockung des Verbotenen widerstehen. Es ist ihre dunkle Seite, die Jung als ihr Schatten-Ich beschrieb. Auch Sie besitzen diese Seite, leugnen Sie es nicht. Doch nur ich lebe sie aus.
An jenem Abend beschränkten sich meine
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