Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
war keine Ärztin, aber sie wusste, es war übel. Das Einschussloch war nicht allzu groß, aber das Blut strömte in großen Mengen heraus, und das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Hungrig?«, fragte sie mit einem aufgesetzten Lächeln. Hätte sein Blick töten können, dann hätte der ihr spätestens jetzt den Rest gegeben. »Tut mir leid«, murmelte sie und schloss die Augen, während er sich abwandte, um ins Badezimmer zu eilen. Vermutlich war das wirklich ein sehr misslungener Scherz gewesen, allerdings fühlte sie sich auch nicht so gut, als dass sie etwas Besseres hätte bieten können. Genau genommen war das untertrieben. Sie fühlte sich sogar elend. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, und sie spürte, wie sie schwächer wurde.
»Schlaf nicht ein, Jo!« Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, als sie Nicholas’ Stimme hörte, und sah, dass er ein Handtuch geholt hatte, das er auf die Einschussstelle drückte. Während sie ihm dabei zusah, rechnete sie damit, Schmerzen zu verspüren, aber das war nicht der Fall. Vermutlich war auch das kein gutes Zeichen, dachte sie ein wenig benommen und schaute Nicholas ins Gesicht. Er machte einen hektischen Eindruck, doch seine Augen leuchteten wieder silbern, wie es sonst der Fall war, wenn sie sich liebten. »Deine Stimmungsaugen zeigen an, dass du wieder scharf auf mich bist«, murmelte sie.
»Was?« Verwundert sah er sie an, und nach seiner Miene zu urteilen, war ihr Anblick für ihn Grund zur Sorge. Er nahm eine Hand von dem Handtuch und berührte ihr Gesicht, während sich seine Augen in ihre brannten. »Du musst wach bleiben, Jo«, forderte er sie mit rauer Stimme auf.
»Ich bin wach«, erwiderte sie schleppend, dann sah sie ihn an und verkündete: »Ich liebe dich.« Wie sie in diesem Moment auf die Idee kam, das zu sagen, konnte sie sich selbst nicht erklären. Vorgehabt hatte sie es nicht, aber es war die Wahrheit. Sie liebte ihn, diesen großen, gut aussehenden Kerl, der so intelligent war und so gut gebaut .... und außerdem hatte er mehr Ehre in seinem kleinen Finger als die meisten anderen Männer im ganzen Leib. Nicholas war geboren, um Menschen zu helfen und zu retten, und er hatte sie wieder und wieder gerettet. Davon war Jo überzeugt. So wie sie auch davon überzeugt war, dass sie nicht lange genug leben würde, um ihm dabei zu helfen, andere zu retten. Das war wirklich schade, weil sie das gern getan hätte.
Es gab so vieles, was sie außerdem noch gern getan hätte. Vor allem hätte sie ihm gern geholfen, das Geheimnis seiner Vergangenheit aufzuklären, damit er nicht weiter auf der Flucht sein musste und das Leben genießen konnte, vorzugsweise mit ihr an seiner Seite. Sie hätte gern ihr Leben mit ihm gemeinsam verbracht, ein Leben voller Liebe und kleiner Meinungsverschiedenheiten und wunderbarer Versöhnungen.... ein Leben mit gemeinsamen Kindern....
Ihr fielen die Augen zu, aber sie zwang sich dazu, sie noch einmal zu öffnen, um einen letzten Blick auf ihn zu werfen. Als sich ihr Blickfeld an den Rändern schwarz einfärbte, wusste sie, sie würde nichts von dem bekommen, was sie gern gehabt hätte. »Jo?«, sagte Nicholas erschrocken, als er sah, dass sie wieder die Augen geschlossen hatte. Er gab ihr einen leichten Klaps auf die Wange und stieß sie wiederholt an, doch es gelang ihm nicht, sie aufzuwecken.
Fluchend schaute er sich um und betrachtete dann wieder die Schusswunde in ihrer Brust. Er hatte versucht, die Blutung zu stoppen, doch das Blut strömte weiter zwischen seinen Fingern hindurch. Wie sehr er sich in diesem Moment wünschte, sie wäre eine Unsterbliche. Die Nanos würden die Blutung stoppen, aber Jo hatte keine Nanos in ihrem Blut, dachte er, dann hielt er plötzlich inne. Er musste sie wandeln. Das war die einfachste Lösung. Kaum war ihm der Gedanke gekommen, hob er den Arm, drückte das Handgelenk gegen seine Zähne und durchbiss die dünne Hautschicht über den Adern. Dann öffnete er Jos Mund und legte sein Handgelenk auf ihre Lippen. Schweigend sah er zu, wie sein Blut in ihren Mund lief, wobei er instinktiv mit der anderen Hand ihren Kopf ein wenig anhob, damit das Blut in die Kehle strömte. Als die Blutung nachließ und schließlich ganz aufhörte, ließ er kurz ihren Kopf auf das Bett sinken, um sich auch noch an einer anderen Stelle in den Arm zu beißen, dann wiederholte er die Prozedur.
Nicholas musterte aufmerksam ihr Gesicht und suchte nach einem Hinweis darauf, dass er nicht zu spät auf diese Idee gekommen
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