Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
macht er das?«, fragte Sam, dann fügte sie nachdenklich hinzu: »Ist es eigentlich sicher, dass er ein Abtrünniger ist, Mortimer? Ich meine, ein Mann, der sein eigenes Leben riskiert, um wildfremde Menschen zu retten, das hört sich für mich....«
»Er ist ein Abtrünniger, Sam«, unterbrach er sie entschieden. »Ich weiß nicht, warum er heute Nacht so gehandelt hat. Vielleicht will er Wiedergutmachung für die Vergangenheit leisten. Sei einfach froh, dass er es getan hat und dass es Jo gutgeht.«
Sam seufzte leise, ihr Kopf bewegte sich ein wenig hin und her. »Ich sollte besser mal nach Jo sehen.«
»Lass sie in Ruhe schlafen, Schatz«, widersprach er ihr, und als Jo sich noch ein Stück weiter dem Geländer näherte, konnte sie sehen, wie er Sams Arm festhielt, als sie zur Treppe gehen wollte. »Decker hat ihre Erinnerung gelöscht und ihr eingeredet, dass sie müde ist und nur schlafen möchte. Lass sie bis zum Morgen in Ruhe. Wenn du jetzt noch mit ihr redest, könntest du Erinnerungen zurückholen. Wenn sie bis morgen früh durchschläft, wird alles Gelöschte auch gelöscht bleiben.«
»Meinst du?«, fragte sie besorgt.
»Solange sie weder Nicholas noch Leos Sohn wiedersieht, sollten diese Erinnerungen begraben bleiben«, beteuerte Mortimer. »Und jetzt komm! Ich muss Lucian anrufen, und ich möchte dich in der Nähe haben, bis wir sicher sein können, dass Leos Sohn sich nicht doch noch irgendwo auf dem Grundstück aufhält.«
»Besteht diese Möglichkeit?«, wollte Sam unüberhörbar beunruhigt wissen.
»Wir glauben, er ist geflohen. Als die Männer nach ihm gesucht haben, stand das Tor offen. Wir glauben, er hat sich in den Wald zurückgezogen, als Nicholas und Jo sich geküsst haben, und dann ist er durchs Tor entwischt, als Bricker seinen Posten verließ, um der Unruhe auf dem Gelände auf den Grund zu gehen.«
»Nicholas und Jo haben sich geküsst?« Sams Frage hörte sich an, als habe Mortimer gesagt, dass sie vor den versammelten Partygästen auf dem Wohnzimmertisch Sex gehabt hätten. Aber Jo konnte ihr Entsetzen gut verstehen, denn für sie hatte es auch etwas Schockierendes, das zu hören. Sie hatte einen wildfremden Kerl geküsst, der sie vor irgendeinem Angreifer gerettet hatte?
»Ich werde es dir gleich erklären«, versprach Mortimer Sam. »Aber erst mal muss ich Lucian anrufen. Komm mit!«
»Aber warum haben sie sich geküsst?«, wollte Sam wissen, während Mortimer sie in Richtung Bibliothek dirigierte. Zu Jos Bedauern wurde die Tür hinter den beiden geschlossen, bevor er eine Antwort gab. Die hätte sie zu gern gehört. Einen Moment lang blieb sie auf der Treppe stehen, da tausend Gedanken gleichzeitig auf sie einstürmten. Der Großteil von Mortimers Erklärungen ergab keinen Sinn. Decker hatte ihre Erinnerung gelöscht? Er hatte ihr eingeredet, dass sie müde sei? Sie war von einem Abtrünnigen – was immer das auch sein mochte – angegriffen worden? Und ein Mann namens Nicholas, der selbst auch ein Abtrünniger war, hatte sie gerettet und dabei sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt? Und diesen Nicholas hatte sie auch noch geküsst? Was sie am meisten störte, war diese Sache mit der gelöschten Erinnerung. Was sollte das bedeuten? Und wie funktionierte das?
Während sie über diese Fragen nachdachte, erlebte sie sonderbare Rückblenden, die nur Sekundenbruchteile dauerten. Sie standen in keinem erkennbaren Zusammenhang, sodass sie keinen Sinn ergaben. Sie drehten sich vor allem um das Gesicht des dunkelhaarigen Mannes. Jo hob eine Hand und musste die Augen zukneifen, da die Kopfschmerzen schlagartig zehnmal so heftig wurden wie noch einen Moment zuvor. Sie zwang sich, ruhig und tief zu atmen und nach Möglichkeit an gar nichts zu denken, dann wartete sie ab, bis die Schmerzen abebbten. Gerade hatten sie wieder ein erträgliches Maß erreicht, als sie hörte, wie erneut die Haustür aufging. Abermals blieb sie wie erstarrt stehen, während es ihr so vorkam, als würde unter ihr eine kleine Armee ins Haus einmarschieren.
Die Tür zur Bibliothek wurde geöffnet, und Mortimer rief: »Und?«
»Alles in Ordnung. Er ist eindeutig entwischt«, antwortete eine fremde Stimme.
»Okay. Ab sofort wird das Tor von zwei Leuten bewacht. Wir halten sämtliche Fahrzeuge zwischen den Toren an und durchsuchen sie, von innen und außen, auch unter dem Wagen und auf dem Dach, bevor wir sie das zweite Tor passieren lassen. Ich will
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